Nach Ballonabschuss "Beispiellose Krise" zwischen China und USA
Chinas Staatsführung bleibt dabei: Der abgeschossene Ballon über den USA habe nur der Wetterbeobachtung gedient - Washington habe völlig überreagiert. Auch in der Bevölkerung ist das Urteil eindeutig.
In den Hauptnachrichten des chinesischen Staatsfernsehens CCTV am Abend wird der Streit über den Ballon mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen wird als erste Nachricht darüber berichtet, wie im Frühling chinesische Landwirte mit der Aussaat beginnen.
Doch in Online-Medien und Social Media haben sich die Bilder von dem abgeschossenen Ballon längst verbreitet. Dort wird hauptsächlich Chinas Version wiedergegeben, von einem Wetterballon, der sich aus Versehen in den US-Luftraum begeben und den die US-Luftwaffe ohne Grund abgeschossen habe.
"Sie bedrohen uns"
Bei einer Straßenumfrage in Peking haben die meisten auch von dem Vorfall gehört. "China hat das Ganze ja schon erklärt", sagt ein 26-Jähriger. "Ich bin nicht sicher, ob die USA den Ballon danach oder davor abgeschossen haben. Wenn das nach unserer Erklärung war, dann haben sie auf jeden Fall überreagiert."
"Ich habe auf Kurzvideo-Apps über den Vorfall erfahren", sagt eine 15-Jährige. Amerika habe einen Wetterballon abgeschossen. "Ich glaube, die USA werden gegen uns kämpfen, sie bedrohen uns." Ein 71-Jähriger sagt, er habe bisher kein schlechtes Bild von Amerika gehabt. "Jetzt finde ich sie zu rechthaberisch. Die USA denken, alles, was sie machen, ist richtig. Alles, was China macht, ist falsch."
Diplomatischer Protest aus Peking
Im Streit über den abgeschossenen Ballon wandte sich Chinas Vize-Außenminister Xie Feng heute an die US-Botschaft in Peking. Er forderte die Vereinigten Staaten auf, die Spannungen nicht zu eskalieren oder weitere Maßnahmen zu ergreifen, die Chinas Interessen schadeten.
Er wiederholte die chinesische Position: Es habe sich bei dem Ballon um ein ziviles unbemanntes Luftschiff gehandelt, das versehentlich in den US-Luftraum eingedrungen sei. Die chinesische Regierung protestiere gegen den Abschuss und verfolge die Entwicklung der Lage aufmerksam.
"Vorfall ist ein Symbol"
Am Wochenende hatten sich das chinesische Außenministerium und das Verteidigungsministerium in schriftlichen Statements auf ihren Internetseiten zu dem Vorfall geäußert. Man behalte sich vor, in ähnlichen Situationen mit notwendigen Maßnahmen zu reagieren, hieß es da unter anderem.
Der Streit über den mutmaßlichen Spionageballon hat die ohnehin extrem schwierigen Beziehungen zwischen China und den USA weiter verschlechtert. "Die Beziehungen zwischen China und den USA sind in eine seit 50 Jahren beispiellose Krise geraten", sagt der unabhängige chinesische Politikwissenschaftler und ehemalige Uni-Dozent Wu Qiang. Das sei die neuste Entwicklung einer Verschlechterung, die seit vielen Jahren anhalte.
"Der Vorfall mit dem Ballon ist ein Symbol dessen. Trotzdem möchte ich optimistisch sein, was die Entwicklung der Beziehungen in diesem Jahr angeht", sagt er. Möglicherweise habe China durch den Vorfall mit dem Ballon mehr Verhandlungsspielraum bei künftigen Dialogen.
Es gibt viel Gesprächsbedarf
Doch von Dialogen sind China und die USA derzeit weit entfernt. Dabei gäbe es viel Gesprächsbedarf: der Streit über die Insel Taiwan, Russlands Krieg in der Ukraine, chinesische Menschenrechtsverletzungen, Nordkorea. Eigentlich sollte US-Außenminister Antony Blinken gerade zu einem Besuch in Peking sein, um zumindest einige Gesprächskanäle offenzuhalten. Wegen des Vorfalls hat er seine Reise verschoben - auf unbestimmte Zeit.