Corona-Welle in China Peking sieht keinen Handlungsbedarf
Die Omikron-Variante breitet sich nach dem abrupten Ende der Null-Covid-Politik rasant in China aus. Die Regierung bleibt präzise Daten zum Virusgeschehen schuldig. Wissenschaftler schlagen vor, Erregerstämme weltweit zu überwachen.
Die Pressekonferenz des chinesischen Außenministeriums am vergangenen Freitag: Sprecher Wang Wenbin macht deutlich, dass die Staats- und Parteiführung die internationalen Sorgen für unbegründet hält. Wissenschaftler aus der ganzen Welt hätten deutlich gemacht, Restriktionen für Reisende aus China seien nicht nötig.
Doch viele Regierungen sehen das anders und haben bereits verpflichtende Tests vor der Abreise aus China eingeführt. Andere Staaten testen nach der Ankunft und nehmen Gen-Sequenzierungen vor, um mögliche Mutationen zu entdecken. Marokko hat Einreisen aus China gar ganz gestoppt.
Peking wehrt sich gegen Vorwürfe
Die Weltgesundheitsorganisation forderte am Freitag bei einem Treffen mit chinesischen Vertretern mehr Transparenz. Man habe China erneut gebeten, präzise Daten in Echtzeit zu erheben und mit der WHO zu teilen, so die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen. Dabei gehe es unter anderem um Zahlen zu Patienten in Krankenhäusern und Intensivstationen, Todesfällen und Impfraten. Aber auch um Informationen zur genetischen Sequenzierung positiv getesteter Fälle, die einen besseren Überblick über kursierende Virusvarianten bieten sollen, so die WHO.
Seit dem Ausbruch der Pandemie habe China Informationen und Daten zeitnah, offen und transparent mit dem Rest der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der WHO, geteilt, wehrt sich Sprecher Wang Wenbin gegen die Vorwürfe. Die Anschuldigungen, China gehe intransparent mit dem Infektionsgeschehen um, sind nicht neu. Doch so unübersichtlich wie derzeit, war es nie.
Verlässliche Daten gibt es nicht
Nach fast drei Jahren Massentests, geschlossenen Grenzen, Reiseverboten und Lockdowns hat die Staats- und Parteiführung am 7. Dezember überraschend und weitgehend unvorbereitet das Ende der Null-Covid-Politik verkündet. Seitdem verbreitet sich das Virus rasant unter den 1,4 Milliarden Menschen in China, von denen kaum jemand sich zuvor mit Corona infiziert hat und Millionen nicht ausreichend geimpft sind.
Schätzungsweise haben sich bereits Hunderte Millionen Menschen mit Corona angesteckt, Zehntausende sind an den Folgen einer Covid-Erkrankung gestorben. Verlässliche Daten gibt es nicht. China hat das Testen weitgehend eingestellt.
Suche nach neuen Varianten
Der Epidemiologe Ben Cowling von der Universität Hongkong rechnet damit, dass sich diesen Winter bis zu eine Milliarde Menschen in China mit Corona anstecken werden - mehr als 70 Prozent der Bevölkerung. "So hochansteckend wie Omikron jetzt ist, kann man sich schwer niedrigere Infektionsraten vorstellen. Und das sind viele Möglichkeiten für das Virus, sich in eine neue Richtung zu entwickeln, vielleicht in eine neue Untervariante von Omikron oder sogar eine neue Variante."
Solche neuen Varianten oder Subtypen würden normalerweise relativ schnell irgendwo auf der Welt entdeckt, sagt der Virologe. Idealerweise aber dort, wo sie entstehen. "Das Beste wäre, PCR-Tests und Sequenzierungen in China durchzuführen - nicht unbedingt im gleichen Umfang wie vor einem Monat, aber zumindest eine gewisse Zahl an Tests, zum Beispiel in Krankenhäusern oder Wohnvierteln", meint Cowling. So könnte man verfolgen, wie sich ein zirkulierender Erregerstamm entwickelt und wo es Anzeichen dafür gibt, dass sich das Virus in einer Weise verändert, dass es eine neue Bedrohung für andere Teile der Welt darstellen könnte.
Regionale Covid-Überwachungszentren?
Der Hongkonger Virologe gibt zu bedenken, dass es auch in anderen Teilen der Welt weiterhin eine hohe Zahl an Infektionen gibt. Auch dort könne das Virus mutieren. Wichtig sei deswegen, nicht nur in China das Infektionsgeschehen genau zu überwachen, sondern weltweit, sagt Cowling. Er hoffe, dass in naher Zukunft regionale Covid-Überwachungszentren eingerichtet werden, die länderübergreifend Sequenzierungen vornehmen - ähnlich wie es das bereits für die Grippe gebe.
"Vielleicht könnte es ein europäisches Überwachungszentrum in Deutschland oder woanders geben, das Proben aus ganz Europa sammelt und die Sequenzierung durchführt, um sagen zu können, was passiert", schlägt der Wissenschaftler vor. Denn einige Teile Europas und der Welt würden kaum sequenzieren. Sie hätten nicht die Ressourcen oder Kapazitäten dafür. "Aber es gibt Länder, die definitiv bereit wären, dies zu tun, damit wir nicht nur überwachen können, was in einem einzelnen Land passiert, sondern was auf allen Kontinenten passiert."