Streit über Gaza-Strategie Gantz verlässt israelisches Kriegskabinett
Im Streit über eine Strategie für den Gazastreifen verlässt Minister Gantz das israelische Kriegskabinett. Er hatte Premier Netanyahu schon vor drei Wochen mit Rücktritt aus der Regierung gedroht, sofern kein Nachkriegsplan vorgelegt wird.
In Israel hat Minister Benny Gantz seinen Rücktritt aus der Notstandsregierung erklärt. Er gehe "schweren Herzens, aber dennoch mit ganzem Herzen", sagte er am Abend vor Journalisten.
Grund sind Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens. Gantz hatte schon Mitte Mai mit Rücktritt gedroht, sollte von der Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kein Plan für eine Nachkriegsordnung erarbeitet werden.
Forderung nach Neuwahlen
"Netanyahu hält uns davon ab, zu einem echten Sieg voranzuschreiten", sagte er nun. Die Regierung müsse die Rückkehr der von der Terrormiliz Hamas entführten Geiseln "über das politische Überleben" stellen.
Da Netanyahu im Krieg gegen die Hamas versagt habe, müsse es nun eine Neuwahl geben, so Gantz weiter. Diese solle "endlich eine Regierung etablieren, die das Vertrauen der Menschen gewinnen und in der Lage sein wird, den Herausforderungen zu begegnen". Der frühere Verteidigungsminister rief Netanyahu daher auf, einen Termin für eine vorgezogene Parlamentswahl festzusetzen.
Abgang stürzt Regierung nicht
Gantz ist ein populärer früherer Militärchef und langjähriger politischer Rivale von Netanyahu. Bisher war er Minister ohne Ressort, aber Mitglied des wichtigen Kriegskabinetts. Sein vor einigen Wochen gestelltes Ultimatum an Netanyahu war am Samstag ausgelaufen. Wegen der dramatischen Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen verschob er jedoch eine geplante Pressekonferenz in letzter Minute.
Der Austritt aus der Regierung betrifft laut Gantz auch weitere Mitglieder seiner Partei Nationale Union. Israels Führung wird er mit dem Schritt nicht stürzen, denn Netanyahus rechtsreligiöses Kabinett verfügt auch ohne Gantz' Partei weiterhin über eine Mehrheit von 64 von 120 Sitzen im Parlament.
Gantz' Rückkehr in die Opposition bringt Netanyahu aber noch mehr in die Abhängigkeit von dessen teils rechtsextremen Verbündeten. Diese vertreten eine harte Linie bei Verhandlungen über eine Feuerpause und die Freilassung von Geiseln und sind der Meinung, dass Israel den Gazastreifen besetzen und dort wieder jüdische Siedlungen errichten sollte.
Ben-Gvir fordert Sitz im Kriegskabinett
Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) begrüßte Gantz' Entscheidung. "Es ist an der Zeit, diese extreme und rücksichtslose Regierung durch eine vernünftige Regierung zu ersetzen, die den Bürgern Israels wieder Sicherheit bringt, die Entführten zurückbringt und die Wirtschaft und den internationalen Status Israels wiederherstellt", schrieb er auf der Plattform X.
Netanyahu erklärte auf X, seine Tür stehe allen zionistischen Parteien offen, die sich für einen Sieg Israels und die Sicherheit seiner Bürger einsetzen wollten. Es sei nicht der Zeitpunkt, um die Kampagne aufzugeben, sondern sich zusammenzuschließen, so der Premier.
Der rechtsextreme israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, forderte unterdessen, den Sitz Gantz' im Kriegskabinett zu übernehmen. Es sei "an der Zeit, mutige Entscheidungen zu treffen, echte Abschreckung zu erreichen und den Bewohnern des Südens, des Nordens und ganz Israels Sicherheit zu bringen", schrieb er auf X.
Eintritt in die Regierung nach Hamas-Massaker
Gantz war nach dem beispiellosen Angriff der militant-islamistischen Hamas und anderer Terrorgruppen am 7. Oktober als Minister ohne Ressort in Netanyahus Regierung eingetreten, um ein Zeichen der Geschlossenheit zu setzen. An sich ist die von Gantz geführte Zentrumspartei Nationale Union in der Opposition.
Netanyahu bildete auch ein Kriegskabinett mit Verteidigungsminister Yoav Gallant, Gantz sowie zwei Beisitzern ohne Stimmrecht. Der Einfluss von Netanyahus ultrarechten Koalitionsmitgliedern wurde somit bei der Mitbestimmung über die wichtigsten Kriegsentscheidungen begrenzt. Gantz' Schritt könnte Berichten zufolge zu einer Auflösung des Kriegskabinetts führen.
Netanyahu hat bislang keinen Plan für Verwaltung und Wiederaufbau des Gazastreifens nach einer Beendigung des Kriegs vorgelegt.