Krieg in Nahost UN warnen vor "massiver Katastrophe" in Rafah
Tausende Palästinenser fliehen angesichts der Kämpfe im Gazastreifen nach Rafah. Schon jetzt ist die Lage in der Stadt an der Grenze zu Ägypten angespannt. Halte die Massenflucht weiter an, werde dies verheerende Folgen haben, warnen die UN.
Eine Massenflucht aus der umkämpften Stadt Chan Yunis in die Grenzstadt Rafah im südlichen Gazastreifen könnte laut einem UN-Menschenrechtsexperten verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung haben. Bereits jetzt beherberge die Stadt an der Grenze zu Ägypten mehr als 1,3 Millionen der insgesamt 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens, sagte Ajith Sunghay.
Die Lage sei dort wegen der Massen an Binnenvertriebenen und mangelnder Nahrung bereits jetzt sehr angespannt, sagte der Leiter des UN-Menschenrechtsbüros für die Palästinensergebiete in einer Videoschalte aus Jordanien.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee
"Völliger Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung"
"Wenn viele Menschen aus Chan Yunis und anderen Orten fliehen, wird das zu einer massiven Katastrophe führen", so Sunghay. Bei einer Massenflucht nach Rafah könnte es dort zu "Unruhen und dem völligen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung" kommen. Falls sich auch die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas nach Rafah verlagerten, hätte die Zivilbevölkerung laut Sunghay keine Fluchtmöglichkeit mehr.
Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf hat in Briefen und öffentlichen Aufrufen an israelische Behörden mehrfach den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung gefordert. "Wir haben keine offizielle Antwort erhalten", sagte die Sprecherin des Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani.
Heftige Kämpfe in Chan Yunis
Israels Armee setzt unterdessen nach eigenen Angaben ihre intensiven Kämpfe in der Stadt Chan Yunis fort. Soldaten hätten dort Dutzende Ziele der Hamas angegriffen, teilte das Militär mit. Bei verschiedenen Einsätzen habe es dabei auch Tote gegeben. "Terroristen wurden von den Truppen bei Kämpfen in der Gegend getötet", hieß es dazu von der Armee.
Chan Yunis ist die größte Stadt im Süden des Gazastreifens und gilt als Hochburg der radikalislamistischen Hamas. Israel vermutet in dem Tunnelnetzwerk in der Gegend die Führung der Terrororganisation sowie auch israelische Geiseln.
Israel: Kontakt zu Krankenhäusern
Das Militär teilte in der Nacht mit, um den Betrieb der Nasser-Klinik und des Amal-Krankenhauses in Chan Yunis sicherzustellen, sei man in Kontakt mit deren Direktoren sowie dem medizinischen Personal vor Ort. Vor den Einsätzen gegen die Hamas in der Gegend sei zudem sichergestellt worden, dass beide Krankenhäuser mit ausreichend Treibstoff und Vorräten versorgt seien. Es besteht nach Darstellung der Armee keine Verpflichtung dazu, die Menschen aus den beiden Kliniken in Sicherheit zu bringen.
Allein im Nasser-Krankenhaus haben UN-Angaben zufolge etwa 18.000 Binnenflüchtlinge Schutz gesucht. Viele Menschen haben sich laut Armee aber freiwillig entschieden, die Krankenhäuser zu verlassen. Für sie gebe es einen Fluchtkorridor. Berichte über Belagerungen oder Angriffe auf die beiden Krankenhäuser wies Israels Militär als "eklatante Fehlinformationen" zurück.
UNRWA: Kliniken sind umstellt
Der Palästinensische Rote Halbmond hatte am Donnerstag mitgeteilt, israelische Einheiten hätten die Umgebung des Amal-Krankenhauses bombardiert und beschossen. Rettungskräfte und Hilfesuchende könnten es nicht mehr erreichen.
Die beiden Kliniken seien umstellt, sagte am Donnerstag der Gaza-Direktor des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Thomas White. Wegen der heftigen Kämpfe in der Nähe steckten dort Menschen fest und lebensrettende Einsätze würden behindert. Das medizinische Personal und Patienten seien in größter Angst. Israels Armee zufolge gibt es Hinweise darauf, dass die Hamas beide Kliniken für ihre Zwecke nutzt.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.