UN zu tödlichem Vorfall in Gaza Ratlosigkeit und ein dringender Appell
Hinter verschlossener Tür hat sich der UN-Sicherheitsrat mit dem tödlichen Vorfall in Gaza befasst - begleitet von Ratlosigkeit. Ob eine geforderte Untersuchung Klarheit bringen kann, ist ungewiss.
Auf den Fluren des Sicherheitsrats herrschen Betretenheit und Ratlosigkeit. Die Lähmung des eigentlich mächtigsten UN-Gremiums angesichts der dramatischen humanitären Krise und des jüngsten Vorfalls tut vielen hineineilenden Diplomaten sichtlich weh.
Der Sicherheitsrat müsse jetzt Rückgrat zeigen und den tödlichen Vorfall verurteilen, fordert der palästinensische UN-Botschafter vor der geschlossenen Sitzung. Riad Mansur wirft Israel vor, vorsätzlich mehr als hundert Palästinenser bei der Ankunft von Nothilfe getötet zu haben.
Tausende Menschen hätten sich wie auch an vielen anderen Tagen an dem Ort im Norden der Region versammelt, um Mehl, Zucker und andere Grundgüter zu empfangen: "Und dann begann die israelische Armee plötzlich, auf sie zu schießen. Den uns vorliegenden Informationen zufolge haben Dutzende von ihnen Kugeln im Kopf."
Es sei nicht so, als würde man in den Himmel schießen, um Menschen zurückzuhalten, wenn Verwirrung und Chaos herrschen. "Es wurde absichtlich gezielt und getötet", wirft Mansur Israel vor.
Keine gesicherten Angaben
Er spricht von 112 Toten und 750 Verletzten. Zuvor hatte der Sprecher von UN-Generalsekretär Guterres betont: Die Angaben zum Vorfall könnten noch nicht unabhängig überprüft werden. Israelische Medien hatten unter Berufung auf Armeekreise berichtet, ein Teil der Menge sei aus nicht genannter Ursache auf israelische Soldaten zugekommen und habe diese gefährdet.
Das Militär habe zunächst Warnschüsse in die Luft abgegeben und auf die Beine derjenigen gefeuert, die sich den Soldaten trotzdem genähert hätten. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Guterres verurteilt den Vorfall
Unklar ist unter den gegeben Umständen auch, ob eine Untersuchung die Klarheit bringen kann, die die Vereinten Nationen sofort gefordert hatten. UN-Generalsekretär António Guterres ließ über seinen Sprecher erklären, dass er den Vorfall verurteile. Mehr als 100 Menschen seien getötet worden, während sie lebensrettende Hilfe gesucht hätten, zitiert Stephane Dujarric den UN-Chef.
Guterres ließ seinen Ruf nach einer sofortigen humanitären Waffenruhe und der bedingungslosen Freilassung aller Geiseln, die in Gaza festgehalten werden, wiederholen: "Er fordert dringende Schritte, so dass wichtige humanitäre Hilfe in und durch den Gazastreifen gelangt - für all die, die sie so händeringend brauchen."
Sicherheitsrat bislang ohne Resolution
Das betonte auch Frankreichs UN-Botschafter Nicolas de Rivière vor der Tür des Sicherheitsrats: "Die humanitäre Situation für Zivilisten in Gaza verschlechtert sich täglich. Wir stehen einem beispiellosen Desaster gegenüber."
Laut dem UN-Nothilfebüro OCHA sind weit mehr als eine halbe Million Menschen - also ein Viertel der Bevölkerung in der Region - knapp von einer Hungersnot entfernt.
Weil Lieferungen über Land kaum mehr möglich sind, schließen die UN eine Versorgung der mehr als zwei Millionen Menschen aus der Luft nicht aus. Doch der jüngste Vorfall verstärkt vor allem die Rufe nach einer humanitären Waffenruhe und dem Schutz von Zivilisten.
Seit Monaten schafft der Sicherheitsrat es nicht, dafür eine Resolution durchzubringen. Vor nicht einmal zwei Wochen scheiterte der jüngste Versuch wieder einmal am Veto der USA.
Seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas setzt Washington dieses Veto immer wieder ein, um Israel zu schützen. Bei immer mehr Ratsmitgliedern sorgt das für großen Unmut. Am Montag sollen sich die USA vor der Generalversammlung für ihr jüngstes Veto verantworten.