Angriffe auf Gazastreifen Mehr als 2.200 getötete Palästinenser
Hunderttausende Palästinenser sind im Gazastreifen auf der Flucht, mehr als 2.200 wurden getötet. Bei ersten Vorstößen in das Gebiet hat die israelische Armee die Leichen von Geiseln entdeckt.
Auf der Schulter von Azmi Diab sitzt ein weißer Wellensittich. Der 13-Jährige füttert ihn mit einigen Körnern Getreide. "Ich habe diesen Vogel aufgezogen. Ich habe ihn mitgenommen, um ihn zu schützen, dass er nicht in den Bomben ums Leben kommt. Ich mag ihn so sehr und kümmere mich um ihn, seit er klein ist."
Der Schüler sitzt mit seiner Familie im Schatten eines Baumes im Hof einer Schule in der Nähe von Chan Junis im Süden des Gazastreifens. Es ist eine Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Palästinenser. Für viele Menschen sind die Einrichtungen Anlaufpunkt geworden. Hier fühlen sie sich etwas sicherer vor den Angriffen der israelischen Armee.
Das Militär hatte die Menschen im Norden des Gazastreifens gestern aufgefordert, in den Süden zu gehen. Wie ARD-Korrespondent Christian Limpert berichtet, sollen bereits etwa 600.000 Menschen auf der Flucht in den Süden der Küstenenklave sein.
Armee sichert Zivilisten Fluchtrouten zu
Für heute hat die Armee den Menschen wieder eine Fluchtroute beschrieben, die nicht bombardiert werde. Bis zum Nachmittag sollen Zivilisten den Norden verlassen. Jonathan Conricus ist einer der Sprecher der israelischen Armee. Er betonte, die Zivilbevölkerung sei nicht das Ziel der Angriffe. "Sie sind nicht unsere Feinde. Wir versuchen, nicht sie zu töten oder zu verletzen. Wir haben die Hamas im Visier und ihre Infrastruktur - wo auch immer die ist."
Das Problem: Die Hamas hat ihre Kommandozentralen oder Waffenlager oft in der Nähe von Wohnhäusern oder sogar Krankenhäusern. Die israelische Armee wirft der Hamas deshalb vor, die Menschen als Schutzschilde zu missbrauchen.
Hamas-Kommandeur getötet
Bei ihren Angriffen in der vergangenen Nacht tötete das Militär nach eigenen Angaben den Chef des Luftüberwachungssystems in Gaza-Stadt. Er sei maßgeblich für den Überfall auf Israel in der vergangenen Woche verantwortlich. Die Terroristen töteten damals 1.300 Menschen und verschleppten 120 bis 150 Geiseln.
Die israelische Armee begann unterdessen mit ersten Bodeneinsätzen im Gazastreifen. Dabei entdeckten Soldaten die Leichen von mehreren Vermissten. Näheres ist darüber bisher nicht bekannt.
Mehr als 2.200 getötete Palästinenser
Die Zahl der getöteten Palästinenser ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen auf mehr als 2.200 gestiegen. In den Krankenhäusern werden fast 8.800 Verletzte behandelt. Die Bedingungen dort werden von Tag zu Tag schlechter, sagt Saleem Oweis vom Kinderhilfswerk UNICEF. "Die Krankenhäuser haben keinen Strom, um die Tausenden Verletzten zu behandeln. Die Wasserversorgung ist unterbrochen und die Infrastruktur ist zerstört. Wenn das so weiter geht, wird das eine humanitäre Katastrophe."
Auf Fernsehbildern ist zu sehen, dass der 13-Jährige Azmi Diab äußerlich unverletzt ist. Doch auch er leidet unter der Situation in Gaza. "Es ist schrecklich. Das Leben ist schwer geworden. Ich kann nichts lernen und es gibt keinen Strom und kein Internet. Ich weiß nicht, wie es meinen Freunden geht."
Wie lange er mit seiner Familie und seinem Wellensittich in der Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks ausharren muss, weiß er nicht.