Geisel-Angehörige zum Abkommen "Wir wissen nicht, wer unter diesen 50 ist"
Bereits ab Donnerstag soll die Feuerpause zwischen Israel und der Hamas beginnen - und damit auch der Geiseldeal. Angehörige haben jedoch gemischte Gefühle: Denn noch ist nicht klar, wer freigelassen wird - und wer nicht.
Die viertägige Feuerpause werde ab morgen erst dann in Kraft treten, wenn die ersten zehn freigelassenen Kinder und Frauen dem Internationalen Roten Kreuz in Rafah im Süden des Gazastreifens übergeben worden seien. Dies meldeten israelische Medien übereinstimmend, darunter der öffentlich-rechtliche Radiosender KAN.
Bei Familienangehörigen der Geiseln, wie Omir Lotam, dessen Schwägerin mit ihren zehn-, neun- und vierjährigen Kindern beim verheerenden Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober verschleppt worden sind, stoßen die jüngsten Nachrichten auf ein geteiltes Echo.
"Das ist eine schreckliche Verlosung"
"Es gibt Hoffnung. Heute sind wir etwas hoffnungsvoller aufgewacht", sagte Omir Lotam am Morgen im Radiosender 103. Aber die Hoffnung sei auch mit viel Angst und vielen Befürchtungen verbunden. "Das ist eine schreckliche Verlosung. Wir wissen nicht, wer unter diesen 50 ist und wir befürchten, dass sie getrennt werden könnten."
Israels Staatspräsident Isaac Herzog erklärte, die Vorbehalte seien verständlich, schmerzlich und schwierig. Aber in Anbetracht der Umstände unterstütze er die Entscheidung der Regierung, das Abkommen zur Freilassung der Geiseln voranzutreiben.
Einspruch gegen Freilassung der Häftlinge möglich
Israel wird nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Radiosenders KAN mindestens 140 Jugendliche und Frauen aus den Haftanstalten freilassen. Das Justizministerium veröffentlichte am Vormittag eine Liste von knapp 300 Häftlingen, aus denen 140 von der Regierung ausgewählt werden. Gegen deren Freilassung könne binnen 24 Stunden Einspruch erhoben werden.
Auf der Liste befinden sich ganz überwiegend Jugendliche im Alter bis 18 Jahren, die im besetzten Westjordanland und in Ost-Jerusalem unter anderem Steine auf Armeeeinheiten geworfen oder für "Unruhe" gesorgt hätten.
"Wir beten zu Gott, dass es friedlich abläuft"
Im Gazastreifen würden mit Eintritt der Feuerpause täglich 300 Lkw-Lieferungen mit Medizingütern, Lebensmitteln und Treibstoff den Grenzübergang von Ägypten nach Gaza überqueren. Im letzten Krankenhaus im Norden des Gazastreifens, das noch in Betrieb ist, im Kamal Adwan Krankenhaus von Jabalia, zeigten Videoaufnahmen des ARD-Studios Tel Aviv vom Morgen zahlreiche Verletzte, die auf den Korridoren und Fluren auf ihre Erstversorgung warteten.
1,7 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben Binnenflüchtlinge. 930.000 Flüchtlinge suchen derzeit Schutz in UN-Einrichtungen, die vollkommen überlaufen seien. Was erwarten die Menschen in Gaza von dem Abkommen?
"Wir beten zu Gott, dass es friedlich abläuft, ohne dass die (Waffen)-Ruhe gestört wird, und dass wir wohlbehalten in unsere Häuser zurückkehren können, so Gott will", sagt Fathi Al Haddad, ein Flüchtling aus Gaza-Stadt, der in den Süden geflohen ist, dem ARD-Studio Tel Aviv. "Dass Hilfe eintrifft, dass wir die Leichen einsammeln, begraben und ehren und zu unserem normalen Leben zurückkehren können."
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee