Erste Lesung in Israel Knesset berät über Wehrpflicht für Ultraorthodoxe
In Israel gilt die Wehrpflicht. Ultraorthodoxe Juden sind allerdings davon bislang ausgenommen. Daran gibt es schon lange Kritik - und der Krieg hat sie verstärkt. Nun soll es Änderungen geben.
Das israelische Parlament - die Knesset - hat in erster Lesung für ein umstrittenes Gesetz gestimmt, das die Einberufung ultraorthodoxer Juden vorsieht. Die Abgeordneten stimmten mit 63 zu 57 Stimmen für das von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu unterstützte Gesetz. Es sieht eine allmähliche und begrenzte Erhöhung der Zahl Ultraorthodoxer im Militärdienst vor.
Entschieden ist damit aber noch nichts. Das Gesetz wird nun zur Prüfung in die Parlamentsausschüsse gegeben, bevor erneut darüber im Parlament abgestimmt wird.
Der Hintergrund ist kompliziert: Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Für die ultraorthodoxe Gemeinschaft galt seit der Staatsgründung eine Ausnahmeregelung, damit deren Mitglieder sich religiösen Studien widmen können. Diese Ausnahmeregelung war im vergangenen Jahr abgelaufen. Die Regierung hatte sie daraufhin bis Ende März verlängert.
Regelung zunehmend infrage gestellt
Netanyahu muss laut einem Gerichtsurteil bis zum 30. Juni ein Gesetz verabschieden, das die weitreichenden Ausnahmeregelungen aufhebt. Der Ministerpräsident ist jedoch von ultraorthodoxen Parteien abhängig, die seine Regierung stützen. Ein Ende der Ausnahmeregelungen könnte dazu führen, dass diese Parteien die Regierung verlassen und damit eine Neuwahl nötig wird. Am Streit über ein Gesetz, das schrittweise mehr streng religiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 eine Regierungskoalition zerbrochen.
Die Befreiung Ultraorthodoxer von der Wehrpflicht wird von vielen Israelis zunehmend infrage gestellt. Der seit mehr als acht Monaten dauernde Krieg im Gazastreifen und die Einziehung Tausender Reservisten hat den Unmut verschärft.
Gallant: "Eine nationale Herausforderung"
Der Gesetzentwurf sieht nun unter anderem vor, dass 3.000 Ultraorthodoxe eingezogen werden können. Ferner soll das Alter für die Befreiung von der Wehrpflicht für streng religiöse Religionsstudenten abgesenkt werden. Derzeit studieren viele ultraorthodoxe Männer bis zum Freistellungsalter an Religionsschulen, um nicht zur Armee zu müssen.
Verteidigungsminister Joav Gallant von Netanyahus Likud-Partei kritisierte angesichts des Kriegs gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen und der täglichen Gefechte mit der Hisbollah entlang der Grenze zum Libanon, das Gesetz gehe nicht weit genug. "Wir dürfen keine kleinliche Politik auf dem Rücken der großen Kämpfer der Armee machen", sagte Gallant nach der Abstimmung im Parlament. "Die Last des Militärdienstes zu tragen ist eine nationale Herausforderung."
Ultraorthodoxe stellen 14 Prozent der Bevölkerung
Während die Ausnahmeregelung zur Zeit der Staatsgründung Israels nur rund 400 streng religiöse Studenten betraf, wurden auf ihrer Grundlage allein im vergangenen Jahr 66.000 ultraorthodoxe Juden im Alter zwischen 18 und 26 vom Militärdienst befreit. Frauen dieser religiösen Strömung sind automatisch vom Militärdienst ausgeschlossen. Laut dem Israelischen Institut für Demokratie (IDI) zählen etwa 14 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels zu den Ultraorthodoxen. Das sind fast 1,3 Millionen Menschen.