"Startup-Nation" in der Krise Wie Israels Wirtschaft unter dem Krieg leidet
Der Krieg im Gazastreifen geht auch an Israels Wirtschaft nicht spurlos vorbei. Dem Land fehlen die Arbeitskräfte, die Instabilität verschreckt Investoren. Eine Besserung scheint erst mit Ende des Krieges in Sicht.
Der Krieg im Gazastreifen hat Israels Wirtschaft schwer getroffen. Zum Beispiel den Bausektor oder auch die Landwirtschaft, wo viele Arbeitskräfte fehlen. Besonders wichtig aber ist der Hightech-Sektor in dem Land, das sich selbst als "Startup-Nation" versteht. Dieser Bereich steht für 16 Prozent aller Arbeitskräfte in Israel, für fast die Hälfte der Exporte und für rund ein Drittel der Einkommensteuereinnahmen.
Und auch Hightech ist in der Krise, sagt Assaf Patir, Chef-Ökonom des Tel Aviver Thinktanks Rise: "Die große Frage ist, ob der Krieg und die Instabilität durch den Krieg in Kombination mit der politischen Instabilität im letzten Jahr in Israel einen langfristigen Effekt haben. Im Sinne, dass Investoren Israel für einen riskanteren Ort für Investments halten – das haben wir in den letzten 20 Jahren nicht gesehen."
Investitionen eingebrochen
Tatsächlich sind die Investitionen in Israels Hightech-Sektor deutlich eingebrochen: In den ersten sechs Kriegsmonaten kam 31 Prozent weniger Investitionskapital nach Israel – im Vergleich zum halben Jahr vor dem Krieg. Assaf Patir verweist zwar darauf, dass Investitionen in den Hightechsektor weltweit abgenommen haben, aber in Israel besonders stark.
Und dieser Trend hat schon vor dem Krieg begonnen, mit dem Antritt der Regierung unter Benjamin Netanjahu Ende 2022. Mit seinen rechtsextremen und ultrareligiösen Koalitionspartnern hat er einen Umbau des Justizsystems vorangetrieben, das Land tiefer gespalten und für viel Instabilität gesorgt, sagen Beobachter.
Eine Wette auf die Wirtschaft
Und der Gazakrieg hat noch mal Spuren hinterlassen, zum Beispiel auch, weil 15 Prozent der Arbeitskräfte im Higtech-Sektor zeitweise als Reservisten eingezogen waren. Und dann musste Benjamin Netanjahu auch noch erklären, warum Rating-Agenturen die Kreditwürdigkeit Israelis herabgestuft haben. Seine Antwort, die er schon vor Wochen gab, klang wie Pfeifen im Walde:
"Die Makro-Daten Israels sind sehr gut, wenn man bedenkt, dass dieses Land im Krieg ist, sogar sehr, sehr gut. Die Herabsenkung der Kreditwürdigkeit erfolgte in erster Linie, weil wir uns im Krieg befinden. Wenn der Krieg zu Ende ist, nachdem wir gewonnen haben, wird die Kreditwürdigkeit sofort wieder hochgestuft. Ich bin bereit, diesbezüglich eine Wette einzugehen."
Assaf Patir, der Ökonom will diese Wette nicht eingehen. Er will zwar auch nicht alles schwarzmalen, aber sorgt sich dennoch um die Zukunft: "Es gibt zwei Optionen: Eine ist, dass dieser Krieg endet und die Dinge sich wieder auf das Niveau der letzten 20 Jahre entwickeln. Oder wir sehen, dass Investoren anfangen, besorgt zu sein über die Lage in Israel. Und vielleicht machen sie sich auch Sorgen um die Zukunft der israelischen Gesellschaft. Ob Israel als Gesellschaft weiter liberal ist und an der Wissenschaft orientiert."
Dabei hängt Israels Hightechsektor am Tropf der Investoren. Assaf Patir sagt, dass fast die Hälfte des Kapitals für Forschung und Entwicklung in Israel aus dem Ausland kommt – damit ist der Hightech-Sektor im internationalen Vergleich sehr stark abhängig von ausländischem Geld.
Erholung erst mit Ende des Krieges
Wirtschaftsexperten wie Assaf Patir glauben, daran, dass sich Israels Wirtschaft wieder erholen kann, wenn der Krieg vorbei ist. Er hat aber Zweifel, ob die amtierende Regierung die richtigen Entscheidungen trifft: "Ich sorge mich, ob die Regierung die politischen Fähigkeiten hat, verantwortungsvoll zu handeln. Ökonomisch bekommt man das hin. Politisch hat diese Regierung nicht gezeigt, dass sich fiskalisch verantwortungsvoll ist."
Prognosen, wie sich Israels Wirtschaft entwickelt, sind schwer. Das liegt daran, dass unklar ist, wie lange die Regierung von Benjamin Netanjahu noch im Amt bleiben kann, das liegt an einem drohenden Krieg im Norden des Landes gegen die Hisbollah – und auch daran, dass bisher noch kein Ende des Krieges im Gazastreifen in Sicht ist.