Menschenmenge in der Altstadt von Jerusalem
Reportage

Karfreitagsfeierlichkeiten in Jerusalem "Man spürt die Anspannung"

Stand: 07.04.2023 16:48 Uhr

In Israel überschatten Raketenangriffe aus dem Libanon und dem Gazastreifen die Karfreitagsfeierlichkeiten. An der Prozession entlang der Via Dolorosa nahmen Zehntausende Besucher aus dem Ausland teil.

Die Karfreitagsprozession in der Altstadt von Jerusalem beginnt in einer muslimischen Mädchenschule: Hier soll einst Pontius Pilatus seinen Amtssitz gehabt und Jesus zum Tod am Kreuz verurteilt haben. Ein paar Tausend Gläubige sind gekommen, Franziskanermönche beten das "Vater Unser" auf Latein. Etwas am Rand ist Schwester Hedwig, sie kommt aus Afrika, aber lebt schon ein paar Jahre in Jerusalem:

"Es ist echt besonders, hier mitzumachen und den echten Weg zu gehen, den Jesus an Karfreitag gegangen ist. So fühlen wir uns eins. Das ermutigt uns und unser gemeinsamer Glaube wächst."

Viele Besucher aus dem Ausland angereist

Unter denen, die an der Prozession quer durch die Altstadt teilnehmen, sind viele Besucher aus dem Ausland - rund 60.000 sollen extra für die Feiertage angereist sein. Auch Mechthild Schmidt-Feist, die aus Deutschland kommt, aber in New York lebt:

"Ich habe das extra so gelegt, dass ich Ostern hier sein kann und dass ich diese Karfreitagsprozession mitmachen kann. Ich fühle mich als Christin und ich fühle mich der christlichen Tradition verhaftet. Und Jerusalem ist schon ein besonderer historischer Ort, wo alle Religionen zusammenkommen, wo die Steine, die man hier anfasst, zweitausend, dreitausend Jahre alt sind. Und da ich katholisch bin, dachte ich, da möchte ich gerne mitgehen."

Eine Gläubige hält ein Holzkreuz mit Jesusfigur.

Viele Besucher aus dem Ausland sind angereist - rund 60.000 sollen extra für die Feiertage gekommen sein.

Ein besonderes Jahr

Doch dieses Jahr ist ein besonderes Jahr. Erstmals seit Corona sind wieder viele Touristen und Pilger zur Karwoche da - und dann hat am Mittwoch noch das jüdische Pessach-Fest begonnen. Und es läuft der muslimische Fastenmonat Ramadan. Viele Menschen wollen da an die Klagemauer und zu den heiligen muslimischen Stätten auf dem Haram As-Sharif, dem Tempelberg.

Amelie Schenk aus Heidelberg ist mit ihrem Sohn bei der Karfreitagsprozession dabei: "Tatsächlich finde ich es sogar eher schön, dass alle drei Feiertage so parallel fallen, weil man ja doch immer sagt: Eigentlich eint die Religionen ja mehr. Und die drei großen Religionen haben so viel gemeinsam. Und deshalb ist es schön - und ein Stück weit schade, wenn dann diese Ausschreitungen da sind."

In zwei Nächten hatte die israelische Polizei in dieser Woche die Al Aqsa-Moschee gestürmt. Dort hatten sich Palästinenser mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Schlagstöcken verschanzt. Die Moschee gilt als die drittwichtigste Moschee des Islam.

"Hält uns nicht davon ab, unsere heiligen Orte zu besuchen"

Abir Joubran ist Menschenrechtsanwältin, aber heute ist sie als palästinensische Christin bei der Karfreitagsprozession: "Man spürt die Anspannung. Aber man sieht Muslime zur Al-Aksa-Moschee gehen und Christen, die die Via Dolorosa gehen. Dieses Jahr, wo die heiligen Tage zusammenfallen, da spürt man das mehr. Aber das hält uns nicht davon ab, unsere heiligen Orte zu besuchen, und den Weg zu gehen, wie wir das jedes Jahr tun."

Mehr als 100.000 muslimische Pilger waren zum Freitagsgebet auf dem Tempelberg erwartet worden. Die zahlreichen Sicherheitskräfte versuchten, die Pilgerströme so gut es geht zu ordnen. Nach dem jüngsten Raketenbeschuss auf Israel aus dem Gazastreifen und dem Libanon, Angriffen der israelischen Luftwaffe, und einem Anschlag im Westjordanland ist die Lage angespannt. In Jerusalem bleibt es heute aber bisher ruhig.

Jan-Christoph Kitzler, Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, zzt. Jerusalem, 07.04.2023 17:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 07. April 2023 um 15:00 Uhr.