Gegenseitige Vorwürfe Sorge vor Anschlag auf AKW Saporischschja
Die Provokationen werden immer schärfer: Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig Anschlagspläne auf das AKW Saporischschja vor. Selenskyj-Berater Podoljak kritisierte die IAEA: Die Bemühungen um die Sicherheit des AKWs seien erfolglos.
Moskau und Kiew bezichtigen sich gegenseitig eines angeblich unmittelbar bevorstehenden Anschlags auf Europas größtes Atomkraftwerk im Süden der Ukraine. "Wir haben jetzt von unserem Geheimdienst die Information, dass das russische Militär auf den Dächern mehrerer Reaktorblöcke des AKWs Saporischschja Gegenstände platziert hat, die Sprengstoff ähneln", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.
Die Sprengsätze seien an den Dächern des dritten und vierten Reaktorblocks angebracht, sollten die Reaktoren selbst aber wohl nicht beschädigen, heißt es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs. Die Ukraine werde nicht gegen die Normen des Völkerrechts verstoßen, betonte die Militärführung in Kiew zugleich. Möglicherweise solle ein Anschlag auf das Kraftwerk simuliert und die Ukraine als Drahtzieher beschuldigt werden.
Selenskyj forderte internationalen Druck auf Russland, um das zu verhindern. In einem Telefonat warnte er seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron vor "gefährlichen Provokationen" Russlands am Kernkraftwerk.
Provokationen immer schärfer
Aus Moskau hieß es dagegen, die ukrainischen Streitkräfte planten selbst einen Angriff auf das AKW, das nahe der Front liegt. Bereits in der Nacht zum Mittwoch würden die Streitkräfte versuchen, das AKW Saporischschja mit Raketen und Drohnen anzugreifen, hatte Renat Kartschaa, Berater des Chefs der russischen Atomenergiebehörde Rosenergoatom, am Dienstag im Staatsfernsehen behauptet.
Auch solle zeitgleich eine mit Atomabfällen bestückte Bombe abgeworfen werden. Beweise für die Anschuldigung brachte der hochrangige Moskauer Beamte nicht vor - genauso wenig wie die ukrainische Seite.
Zwar werfen sich beide Kriegsparteien immer wieder geplante Provokationen rund um das Kraftwerk vor, in den vergangenen Wochen wurden die Anschuldigungen aber stetig schärfer.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Training für Notfall
Jüngst trainierten Rettungskräfte in den Regionen um die ukrainischen Städte Cherson, Mykolajiw, Saporischschja und Dnipro bereits für einen möglichen atomaren Notfall. Russische Truppen halten das Kraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine seit März 2022 besetzt.
Der riesige Komplex geriet während der Gefechte mehrfach unter Beschuss, was international Sorgen vor einer Atomkatastrophe schürte. Aus Sicherheitsgründen wurde das AKW inzwischen heruntergefahren. Eine Beobachtermission der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) ist vor Ort.
Vorwürfe gegen die IAEA
Der Selenskyj-Berater Mychajlo Podoljak übte scharfe Kritik am Chef der IAEA. Die Bemühungen Rafael Grossis um die Sicherheit des Atomkraftwerkes Saporischschja hätten keine Wirkung gezeigt.
Die IAEA hätte bei dem Versuch, die Sicherheit des Atomkraftwerkes zu gewährleisten, eine Kehrtwendung gemacht. Grossi hätte "herumgealbert", anstatt die Position der IAEA von Anfang deutlich zu machen. "Und wenn es eine Katastrophe gibt, dann wird er sagen, dass sie nichts damit zu tun hatten und ja vor allen Gefahren gewarnt hatten."
Kachowka-Staudamm zuletzt zerstört
Am 6. Juni hatte eine Explosion den Kachowka-Staudamm zerstört, woraufhin riesige Wassermassen aus dem angrenzenden Stausee strömten und Hunderte Ortschaften überfluteten. Die ukrainische Seite ist überzeugt, dass Russland das für die Kühlwasser-Versorgung des AKW Saporischschja wichtige Bauwerk absichtlich sprengte.
Auch viele internationale Experten halten das für wahrscheinlich, Moskau hingegen dementiert und beschuldigt seinerseits Kiew der Tat.