Vier Jahre nach Putsch in Myanmar Zwischen Opiumfeldern und Dschungellaboren
Genau vier Jahre nach dem Putsch ist Myanmar wieder einer der weltgrößten Hersteller von Drogen. Denn den Menschen fehlen die Alternativen, der Staat kontrolliert nicht mehr - und das Militär mischt selber mit.
Der Opiumfarmer Maung Hla Moe steht jeden Morgen um sechs Uhr auf, wässert die Pflanzen, zupft Unkraut. Er lebt in Myanmar im Süden des Shan-Staats. Hier wird landesweit am meisten Opium angebaut.
Das Geschäft wächst. Von den rund 100 Haushalten in seinem Dorf würden mittlerweile 80 Opium anbauen, den Rohstoff für Heroin, erzählt der 27-Jährige im Video-Call. Sein Feld sei etwa zwei Fußballfelder groß. Damit kann er deutlich mehr verdienen als mit dem Anbau von Bohnen, Ingwer oder Mais.
Putsch vor vier Jahren
Seit dem Militärputsch heute vor vier Jahren bauen in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land immer mehr Farmer Opium an. Oft aus wirtschaftlicher Not, sagt Benedikt Hofmann vom UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). "Ohne dieses zusätzliche Einkommen würden diese Familien unter der Armutsgrenze leben."
Die Preise seien seit dem Militärputsch massiv gestiegen, hätten sich mehr als verdreifacht. Vor dem Militärputsch erlebte Myanmar eine Zeit der Öffnung und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Farmer zog es in die Städte zum Arbeiten, es gab alternative Einkommensmöglichkeiten. Der Opiumanbau ging zurück.
Doch mit der Machtübernahme des Militärs, der Absetzung von de-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und dem Beginn des Bürgerkriegs nahm die Opiumproduktion wieder zu. Seit 2023 ist Myanmar das größte Opium-Anbauland der Welt - vorher war es Afghanistan.
Finanzierung des Kriegs
Das große Geld machen jedoch nicht die kleinen Bauern wie Maung Hla Moe, sondern die organisierte Kriminalität. Viele Akteure kommen von außerhalb und nutzen das Machtvakuum aus. Sie sitzen in sicherer Entfernung in Thailand, Kambodscha, Hongkong, China oder Taiwan.
Innerhalb Myanmars verdient sowohl das Militär mit beim Drogenhandel als auch ihre bewaffneten Gegner. Um sich im Konflikt weiter finanzieren zu können, hätten "illegale Aktivitäten" der Konfliktparteien stark zugenommen, beobachtet Hofmann.
"Wohl größte Produktionsstätte synthetischer Drogen"
Neben dem Anbau von Opium sorgt ihn noch stärker die massive Produktion synthetischer Drogen. "Das war schon vor 2021 auf sehr hohem Niveau, hat sich aber weiterhin verschlimmert und nimmt auch weiterhin zu."
Eine Rekordmenge von 190 Tonnen Methamphetamin hätten die Behörden in der Region allein im Jahr 2023 sichergestellt. Es ist vermutlich nur ein Bruchteil der tatsächlich produzierten Menge.
"Von daher gehen wir davon aus, dass sich in Südostasien und vor allem in Myanmar die wohl größte Produktionsstätte von synthetischen Drogen, von Methamphetamin vor allem, der Welt befindet." Die Drogen werden in kleinen Laboren im Dschungel, aber teils auch in industriellen Anlagen in Massen hergestellt.
Immer mehr Abhängige in Myanmar
Die Preise sinken immer weiter. In Thailand und angrenzenden Ländern sind die kleinen pinken Yaba-Pillen, eine Mischung aus Methamphetaminen und Koffein, für weniger als 50 Cent zu bekommen. Zum Vergleich: Eine Flasche Bier kostet das Doppelte.
Drogensucht ist in der Region daher ein wachsendes Problem. Auch in Myanmar gibt es immer mehr Abhängige, erklärt Edward Blakely, der ein Rehabilitationsprogramm für Drogenabhängige leitet, das unter anderem von den Vereinten Nationen unterstützt wird.
Es gibt zwei große Probleme. Viele Menschen sind traumatisiert. Sie mussten aus ihrem Zuhause fliehen, sie haben gesehen, wie Angehörige umgebracht wurden. Zweitens gibt es ein Überangebot an Drogen und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Und diese zwei Dinge zusammen kreieren den perfekten Sturm.
Heroin für den europäischen Markt?
Während synthetische Drogen vor allem in der Region Südostasien-Pazifik konsumiert werden, könnten Opium und Heroin bis nach Europa gelangen, warnt Hofmann vom UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung.
"Der starke Rückgang in Afghanistan wird mit großer Sicherheit Auswirkungen auf Europa haben. Der Heroinmarkt, der Opiatmarkt in Europa, wird von irgendwoher bedient werden. Wir sehen, dass mehr Heroin, das aus dem Goldenen Dreieck, also aus Myanmar und Laos kommt, in Gegenden in Afrika aufgegriffen wird, also entlang der traditionellen Routen in Richtung Europa." Aber es sei noch zu früh, um zu beurteilen, ob sich diese Route etablieren werde.
"Seit dem Putsch gibt es keine Kontrollen"
Früher haben Opiumbauern in Myanmar ihre Pflanzen noch versteckt angebaut. Sie hatten Sorge, dass die Polizei ihre Ernte über Nacht verbrennt oder das Feld niederschneidet. Inzwischen wachsen die runden Opiumfrüchte gut sichtbar neben Wohnhäusern oder an Hauptstraßen.
Der Grund: Seit dem Militärputsch gebe es keine Kontrollen mehr, sagt Farmer Maung Hla Moe. Wenn der Bürgerkrieg vorbei ist, würde er gerne ein Geschäft eröffnen. "Jeder weiß, dass Opium schlecht ist. Wenn die politische Situation sich verbessert, will ich damit aufhören."
Um den Anbau schon jetzt zu reduzieren, bräuchte es ländliche Entwicklungsprojekte, die den Opiumbauern andere Einkommensmöglichkeiten eröffnen, sagt Hofmann. Doch solange das nicht in größerem Maßstab passiert und der Krieg andauert, geht der Opiumanbau in Myanmar weiter. Und treibt Menschen in Südostasien, Australien oder bald sogar im entfernten Europa in die Abhängigkeit.