Krieg in Nahost Israel will Offensive bis nach Rafah ausweiten
Die israelische Armee will ihre Kämpfe gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen ausweiten - auch auf Rafah im Süden. Dort halten sich inzwischen mehr als eine Million Palästinenser auf. Doch das diplomatische Ringen geht weiter.
Israel will seine Militäroffensive gegen die Hamas bis zum südlichen Ende des Gazastreifens am Grenzübergang Rafah vorantreiben, wo mehr als eine Million Palästinenser Zuflucht gesucht haben. Verteidigungsminister Yoav Gallant kündigte an, dass die Erfolge der Armee im Kampf gegen die militant-islamistische Palästinenser-Gruppe in der südlichen Stadt Chan Yunis bedeuteten, dass die Truppen auch nach Rafah an der ägyptischen Grenze vorrücken könnten.
"Wir erfüllen unsere Aufgaben in Chan Yunis, und wir werden auch Rafah erreichen und Terrorelemente, die uns bedrohen, ausschalten", sagte Gallant.
Großteil der Hilfsgüter kommen über Rafah
In Rafah halten sich inzwischen mehr als die Hälfte der etwa 2,2 Millionen Einwohner des Küstengebiets auf, meist frierend und hungernd in behelfsmäßigen Zelten oder Notunterkünften in öffentlichen Gebäuden. Sie suchen dort Schutz vor den Kämpfen. Über Rafah kommt auch der Großteil der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung.
Den Grenzübergang Rafah kontrollieren ägyptische und palästinensische Beamte, wobei Letztere unter der Kontrolle der Hamas stehen. Die israelische Führung vermutet, dass Tunnel, die unter der Grenze zwischen Ägypten und Gaza verlaufen, nach wie vor dem Schmuggel von Gütern und Waffen für die Hamas dienen.
Deutschland mahnt Zurückhaltung an
Die Bundesregierung forderte Israel angesichts der Ankündigung zur Zurückhaltung und zum verstärkten Schutz von Zivilisten auf. "Auch beim Recht auf Selbstverteidigung gibt es Regeln. Auch beim Kampf gegen Terroristen gilt das militäre Völkerrecht", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Das müsse Israel auch dann einhalten, wenn sich die Hamas nicht daran halte.
"Wir haben Israel deshalb bereits mehrfach sehr deutlich dazu aufgefordert, seine Operationsführung anzupassen, Zivilisten besser zu schützen, gerade UN-Einrichtungen und Krankenhäuser besser zu schützen und deutlich mehr humanitäre Hilfe zuzulassen." Der Sprecher verwies darauf, dass viele der Menschen in Rafah aus dem nördlichen Gazastreifen stammen und der Aufforderung der israelischen Armee gefolgt waren, das Gebiet zu verlassen. "Die Menschen, die Israel zuvor aufgefordert hat, den Norden des Gazastreifens zu verlassen, können sich jetzt nicht einfach in Luft auflösen", sagte er. Sie müssten geschützt werden.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee
Besorgt zeigten sich auch die Vereinten Nationen. Die Lage in Rafah sehe nicht gut aus, sagte Jens Lærke, der Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA). Rafah sei "ein Dampfkochtopf der Verzweiflung, und wir fürchten uns vor dem, was als nächstes kommt", sagte Lærke. "Wir denken jede Woche, es könne nicht schlimmer werden. ... Aber es wird schlimmer." Die UN-Behörde sei deshalb in tiefer Sorge.
Ringen um Waffenruhe und Geisel-Freilassung
Unterdessen ging das diplomatische Ringen um eine längere Waffenruhe und eine damit verbundene Freilassung der in der Gewalt der Extremisten verbliebenen mehr als 100 Geiseln weiter. Die Vermittler Katar und Ägypten hofften auf eine positive Reaktion der im Gazastreifen herrschenden Hamas auf den ersten konkreten Vorschlag, der in der vergangenen Woche bei Gesprächen in Paris mit Israel und den USA vereinbart wurde.
Ein Vertreter der palästinensischen Seite sagte laut der Nachrichtenagentur Reuters, es sei unwahrscheinlich, dass die Hamas den Vorschlag rundheraus ablehnen werde. Aber sie werde Garantien dafür verlangen, dass die Kämpfe nicht wieder aufgenommen werden, wozu sich Israel allerdings nicht bereit erklärt hat.
Der Vorschlag für eine Waffenruhe sieht eine Geisel-Freilassung in drei Stufen vor: In einer ersten Phase von 40 Tagen, in der die Kämpfe eingestellt würden, sollen die verbleibenden Zivilisten unter den Geiseln freikommen. Dann sollen die verschleppten Soldaten freigelassen werden, und schließlich sollen die Leichen von Geiseln übergeben werden. Während einer einwöchigen Feuerpause Ende November hatte die Hamas Dutzende Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefängnisinsassen auf israelischer Seite freigelassen.