Gerichtsverfahren ausgesetzt Noch immer keine Spur von Nawalny
Wo ist Alexej Nawalny? Seit Anfang Dezember fehlt von dem inhaftierten Kremlkritiker jede Spur. Nun blieb er erneut einem Gerichtsverfahren fern. Der Richter stellte das Verfahren vorläufig ein - für Nawalnys Team ein Rechtsbruch.
Von Alexej Nawalny fehlt weiterhin jedes Lebenszeichen. Der seit fast zwei Wochen in Haft verschwundene Kremlkritiker ist erneut nicht zu einer Gerichtsverhandlung erschienen. Der Richter im Gebiet Wladimir habe deshalb das Verfahren bis zur Klärung des Aufenthaltsortes von Nawalny eingestellt, teilte dessen Anwalts-Team mit.
Die Juristen des Oppositionellen kritisierten, dass das Gericht damit gegen russische Gesetze verstoße: "Der Richter hat sich einfach der Pflicht der Rechtsprechung entledigt, anstatt das Erscheinen des Klägers sicherzustellen." Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte.
Sieben Gerichtsverhandlungen waren angesetzt
Seit Anfang Dezember fehlt von dem schärfsten Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin jede Spur. "Alexej hätte heute sieben Gerichtsverhandlungen haben sollen", sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch. Die Sorge um den 47-Jährigen sei groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist.
Mitarbeiter des Strafvollzugs hätten vor Gericht einmal mehr lediglich mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 rund 260 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir sei. Es gebe aber weiter keine Information zu seinem Aufenthaltsort.
Ob sich Nawalny noch auf dem Weg in ein neues Gefängnis befindet, ist unklar. Der Transport von Gefangenen mit der Bahn durch das größte Land der Welt kann längere Zeit dauern. Anwälte und Angehörige erhalten oft bis zur Ankunft keine Informationen über den Aufenthaltsort und das Wohlergehen der Häftlinge.
Nawalnys Team bezichtigt Strafvollzug der Lügen
Nawalnys Juristen warfen dem Strafvollzug zudem Lügen vor, weil die Angestellten zuletzt erklärt hatten, der Kremlkritiker werde aus technischen Gründen nicht zu den Verhandlungen vor Gericht per Video zugeschaltet. Auf die Frage des Richters, warum Nawalny aus dem Lager verlegt wurde, hätten die Vertreter des Strafvollzugs geantwortet: "zur Verbüßung seiner Strafe".
Am Wochenende seien Anfragen in mehr als 200 Untersuchungsgefängnissen gestellt worden, sagte Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow: "Wir warten auf Antworten."
Gericht ordnete schärfere Haftbedingungen an
Im August 2023 war Nawalny zu weiteren 19 Jahren Haft verurteilt worden, zusätzlich zu den elfeinhalb Jahren, die er gerade absitzt. Zudem wurde seine Überführung in ein Gefängnis mit schärferen Haftbedingungen angeordnet. Nawalny wurde unter anderem wegen Extremismus verurteilt. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.
Nach einem Giftanschlag, für den Nawalny den Kreml verantwortlich macht, war er zu seiner Behandlung nach Deutschland ausgereist. Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück und wurde sofort verhaftet. Der Regierungskritiker weist alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück: Sie zielten darauf ab, seine Kritik an Präsident Putin zum Schweigen zu unterbinden.
Nawalny-Kampagne "Russland ohne Putin"
Das Team um Nawalny lässt in ihrer Kritik an Präsident Putin derweil nicht locker. Anfang Dezember starteten sie die Kampagne "Russland ohne Putin".
Damit wollen sie Wählerinnen und Wähler vor der Präsidentenwahl am 17. März 2024 dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, mögliche Mitbewerber gelten als chancenlos.