Israelisches Militärgefängnis Wurden palästinensische Häftlinge gefoltert?
In einem israelischen Militärgefängnis sollen Soldaten Palästinenser gefoltert und vergewaltigt haben. Die Justiz ermittelt, Rechtsextremisten kritisieren das. Die Vorwürfe sind zum Politikum geworden.
Der Mann, den man nur in Umrissen sehen und nicht erkennen kann, fühlt sich zu Unrecht verfolgt und beschuldigt. Er ist Reservist der israelischen Armee und steht zusammen mit mehreren Kameraden unter Verdacht, einen palästinensischen Häftling misshandelt und vergewaltigt zu haben.
Doch so war es nicht, sagt der Reservist im anonymisierten Interview mit dem israelischen Sender Kanal 14. "Wir sind keine Vergewaltiger. Wir sind Soldaten. Es ist eine Lüge, die sie uns anhängen wollen, um uns das Messer in den Rücken zu rammen und der Welt sagen zu können: 'Seht her, auch sie vergewaltigen.'"
Schwerste Verletzungen im Gefängnis erlitten
Der Mann soll an einem Vorfall in dem berüchtigten israelischen Militärgefängnis Sde Teiman in der Negev-Wüste beteiligt gewesen sein. Bilder einer Überwachungskamera zeigen, wie ein Häftling von Soldaten in eine Ecke gebracht wird. Andere Soldaten verdecken mit erhobenen Schutzschilden die Sicht.
Bei dem Gefangenen - er soll Mitglied einer Eliteeinheit der Terrororganisation Hamas gewesen sein - wurden danach zahlreiche Verletzungen festgestellt, darunter auch ein Darmriss, der auf eine Vergewaltigung hindeutet.
Rechtsextreme wollen keine Ermittlungen
Gegen die beteiligten Soldaten wird nun ermittelt. Als sie in Sde Teiman festgenommen werden sollten, stürmte ein rechtsnationaler Mob die Militärbasis, um die Verdächtigen zu schützen. Der Fall ist zum Politikum geworden. Teile der israelischen Regierungskoalition kritisieren die Ermittlungsbehörden und sprechen von angeblichem "Verrat an der Armee".
Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich, sagte in einer Social-Media-Nachricht: "Diese Kämpfer sind Helden, die jeden Respekt verdienen. Ihnen sollte Ehre erwiesen werden. Soldaten dürfen nicht wie Verbrecher verhaftet werden. Deswegen sage ich der obersten Militärstaatsanwältin: Finger weg von unseren Kämpfern."
Misshandlungen, "weil sie Spaß daran haben"
Yoel Donchin sieht das anders. Er ist Arzt und war in dem Feldlazarett eingeteilt, in dem Häftlinge aus Sde Teiman behandelt wurden. Im Interview mit dem israelischen Sender KAN berichtete Donchin von Verletzungen, die auf Misshandlungen durch das Wachpersonal zurückzuführen seien. "Das sind keine tapferen Soldaten, die Häftlinge misshandeln. Es sind Menschen, die eine Person in Handschellen vor sich haben und sie dann misshandeln, weil sie Spaß daran haben."
Gegen die beschuldigten Soldaten wurde Hausarrest angeordnet. Der ehemalige Brigadegeneral und Ex-Chef der Militärpolizei Mickey Barel verteidigte die Ermittlungen. "Hier haben wir es mit dem Verdacht auf ein ernstes Vergehen zu tun, bei dem es sich um ein Verbrechen handeln könnte. So etwas muss untersucht werden."
Es gebe viele Menschen, die sich darüber empören, dass mitten im Krieg Ermittlungen durchgeführt werden. Aber: "In allen Kriegen wurden außergewöhnliche Vorfälle untersucht und überprüft, denn das ist das Vorgehen in einem intakten Staat."
Foltervorwürfe gegen Personal in Sde Temain
Im Militärgefängnis Sde Teiman soll es zu zahlreichen Misshandlungen gekommen sein. Beteiligte Soldaten berichteten, sie hätten Häftlinge geschlagen, weil diese aufgestanden seien, miteinander gesprochen oder unter ihren Augenbinden hervorgeschaut hätten. Es soll auch zu Amputationen gekommen sein, weil Inhaftierte lange gefesselt waren.
Menschenrechtsorganisationen erhoben Foltervorwürfe gegen das Personal in Sde Teiman und reichten eine Petition bei Israels oberstem Gerichtshof ein, um die Schließung zu erreichen. Die Entscheidung der Justiz steht noch aus. Die israelische Armee verlegte mittlerweile viele Häftlinge aus Sde Teiman in andere Gefängnisse.