Lai siegt bei Taiwan-Wahl Der Westen gratuliert - Peking ist verärgert
Taiwan hat den China-Kritiker Lai zum Präsidenten gewählt und der Westen gratuliert. Insbesondere die Gratulationen aus den USA verärgern China. Washington sende damit ein "falsches Signal". Taiwan erwartet am Abend eine US-Delegation.
Die chinesische Regierung hat sich bei den USA offiziell über die Erklärung Washingtons zur Wahl in Taiwan beschwert. Die USA verstießen damit gegen ihre eigene Zusage, nur Kultur- und Handelsbeziehungen oder anderen inoffiziellen Austausch mit Taiwan zu unterhalten, teilte das Außenministerium in Peking mit. Das sende "ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte" in Taiwan. Die Taiwan-Frage stehe im Zentrum der Kerninteressen Chinas und stelle die "erste rote Linie" dar, die in den Beziehungen zwischen China und den USA nicht überschritten werden dürfe.
Der bisherige Vize-Präsident Lai Ching-te hatte die Präsidentenwahl am Samstag gewonnen. Er tritt für die Eigenständigkeit Taiwans ein. China betrachtet das demokratisch regierte und industriell hoch entwickelte Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt.
Das US-Außenministerium hatte am Samstag nach dem Sieg Lais Glückwünsche geschickt. Man freue sich, mit Lai und den Spitzen aller Parteien Taiwans zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Interessen und Werte voranzubringen, und die langjährige inoffizielle Beziehung zu fördern, teilte das US-Außenamt mit. Die USA sind ein enger Verbündeter Taiwans und hatten für den Fall eines Konflikts mit China Hilfe bei der Verteidigung zugesichert.
Taiwan verwahrt sich gegen Äußerungen aus Peking
Das chinesische Außenministerium hatte zudem in einer Mitteilung erklärt: "Die Taiwan-Frage ist eine interne Angelegenheit. Welche Veränderungen auch immer in Taiwan stattfinden, die grundlegende Tatsache, dass es nur ein China auf der Welt gibt und Taiwan Teil Chinas ist, wird sich nicht ändern."
Darauf reagierte Taiwan umgehend und verwahrte sich gegen "irreführende Kommentare" aus China zum Ausgang der Wahlen. So sei die genannte Aussage "völlig unvereinbar mit dem internationalen Verständnis und der aktuellen Situation in der Taiwanstraße". Sie widerspreche dem Willen des taiwanischen Volkes und der Erwartung der demokratischen Gemeinschaften weltweit.
Deutschland für "Erhalt des Status quo"
Neben den USA gratulierten auch zahlreiche weitere Regierungen den Wahlsiegern in Taiwan und würdigten die demokratische Tradition des Landes. Die Bundesregierung teilte mit:
Die freien und friedlichen Wahlen in Taiwan haben erneut gezeigt, wie stark die Demokratie in Taiwan verwurzelt ist und wie sehr die Wählerinnen und Wähler mit demokratischen Werten verbunden sind.
Die Bundesregierung gratuliere allen Wählerinnen und Wählern, den Kandidatinnen und Kandidaten, die an diesen Wahlen teilgenommen haben, sowie den Gewählten, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Weiter hieß es: "Deutschland unterhält in vielen Bereichen enge und gute Beziehungen mit Taiwan und möchte diese, im Einklang mit der deutschen Ein-China-Politik, weiter ausbauen".
Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan seien von entscheidender Bedeutung für die Region und weit darüber hinaus. "Deutschland setzt sich für den Erhalt des Status quo und Vertrauensbildung ein." Eine Änderung des Status quo dürfe nur friedlich und in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen. "Wir hoffen, dass beide Seiten ihre Bemühungen zur Wiederaufnahme eines Dialogs weiter vorantreiben."
Gratulationen aus Europa
Glückwünsche kamen auch aus Großbritannien: Außenminister David Cameron gratulierte Lai und der DPP zu seinem Sieg und sagte, er hoffe, dass Taiwan und China ihre Bemühungen um eine friedliche Lösung ihrer Differenzen erneuern würden. "Die heutigen Wahlen sind ein Beweis für Taiwans lebendige Demokratie", sagte er in einer Erklärung. "Ich hoffe, dass die beiden Seiten der Taiwanstraße ihre Bemühungen zur friedlichen Beilegung von Differenzen durch konstruktiven Dialog, ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt oder Zwang, erneuern werden."
Die EU begrüßte ebenfalls den Ausgang der Wahl. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
Frankreich hofft auf eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Taipeh und Peking. Frieden und Stabilität in der Meerenge der Taiwanstraße seien entscheidend, teilte das Außenministerium in Paris mit. Alle Seiten sollten den Status quo respektieren. Paris hoffe zudem, dass sich seine Beziehung zu Taiwan weiter vertiefen. Die Wahlen hätten erneut gezeigt, dass die Bürger Taiwans den demokratischen Werten, dem Rechtsstaat und den Menschenrechten verbunden seien.
US-Delegation am Abend in Taipeh erwartet
Am Abend trifft eine US-Delegation zu einem inoffiziellen Besuch in Taiwan ein. Wie schon bei vorherigen Wahlen habe die US-Regierung frühere US-Regierungsbeamte gebeten, privat nach Taiwan zu kommen, hieß es vom American Institute in Taiwan, die inoffizielle Vertretung der USA in Taipeh. Demnach machten sich der frühere Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley und der ehemalige Vize-Außenminister James Steinberg auf den Weg. Für Montag seien Treffen mit führenden Politikern geplant.
Scharfe Kritik an Japan aus Peking
Die japanische Außenministerin Yoko Kamikawa gratulierte ebenfalls und sagte: "Wir erwarten, dass die Taiwan-Frage durch einen Dialog friedlich gelöst wird und so zu Frieden und Stabilität in der Region beiträgt." Ihre Glückwünsche wurden in Peking mit Empörung aufgenommen. Die chinesische Botschaft in Tokio bezeichnete die Äußerung der Ministerin als "ernsthafte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas". Die Regierung in Peking hatte Lai vor der Abstimmung als einen gefährlichen Separatisten bezeichnet.
China sieht nach offiziellen Angaben keinen Grund für einen Kurswechsel. Diese Wahl könne den generellen Trend hin zu einer "unausweichlichen Wiedervereinigung" mit dem Festland nicht ändern, teilte der Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten, Chen Binhua, in Peking mit. "Die Ergebnisse der beiden Wahlen zeigen, dass die Demokratische Fortschrittspartei nicht in der Lage ist, die vorherrschende öffentliche Meinung zu repräsentieren", sagte er.
Lai hatte China noch am Samstagabend dazu aufgerufen, den Frieden in der Meerenge zwischen beiden Staaten zu wahren. "Ein globaler Frieden hängt vom Frieden in der Taiwanstraße ab", sagte er. Zugleich zeigte er sich für Zusammenarbeit mit China bereit.
Der Streit um Taiwans Status geht auf den chinesischen Bürgerkrieg zurück, als die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten unter Mao Tsetung nach Taiwan flüchteten. In Peking wurde 1949 die kommunistische Volksrepublik gegründet, während sich Taiwan als "Republik China" seit den 1990er Jahren zu einer freiheitlichen Demokratie entwickelte.
Peking sieht die Insel jedoch als sein eigenes Territorium an. Mit seiner Ein-China-Doktrin fordert Peking, dass kein Land diplomatische und andere offizielle Beziehungen zu der Inselrepublik unterhalten darf, wenn es ein normales Verhältnis mit der Volksrepublik pflegen will.