Ein Jahr Europäische Bürgerinitiative Der Weg nach Brüssel ist steinig und schwer
Bürgerfern, bürokratisch - das ist die EU in den Augen vieler Menschen. Gegen die Europamüdigkeit gibt es seit einem Jahr die direkte Bürgerbeteiligung - in Form der Bürgerinitiative. Doch die Hürden sind hoch. Immerhin: Eine Initiative ist jetzt auf der Zielgeraden. Es geht ums Wasser.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Neben der Tür zum Büro von Maros Sefcovic hängt ein Plakat: "Sie bestimmen die Agenda" kann man darauf lesen. Das ist der Werbeslogan für die Europäische Bürgerinitiative. Die wurde vor einem Jahr in den neuen EU-Vertrag hineingeschrieben, um Europas Bürgern die Europamüdigkeit auszutreiben.
Der Slowake Sefcovic ist Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Europäische Bürgerinitiative. "Das ist das erste Instrument, mit dem die EU-Bürger die Tagesordnung der EU mitbestimmen können. Es ist das erste Instrument, mit dem sie direkt Kontakt zur EU-Kommission aufnehmen können."
"Ein schwaches Instrument"
Ein Jahr gibt es dieses Instrument nun schon. Mitbekommen haben das aber nur die allerwenigsten Bürger. "Ja, mein Fazit ist sehr gemischt", sagt denn auch Gerald Häfner. Er hat den Verein "Mehr Demokratie" gegründet. Heute sitzt er für die Grünen im Europaparlament. "Positiv bleibt, wir haben in der EU das weltweit erste Bürgerbeteiligungsinstrument überhaupt geschaffen. Aber es ist ein sehr schwaches Instrument."
Schwach, weil die Umsetzung so bürokratisch ist und die Hürden so hoch sind. Eine Million Unterschriften müssen die Organisatoren einer Initiative innerhalb eines Jahres sammeln, und die müssen aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten kommen. Wobei ein Land nur zählt, wenn eine Mindestzahl von Unterstützern erreicht wird. In Deutschland sind das rund 75.000.
Der Weg ist weit
Das Sammeln der Unterschriften ist auch so eine Sache. Da muss der Datenschutz beachtet werden, und die Nachweispflichten für eine gültige Stimme sind umfangreich. Und so haben sich zwar mehr als ein Dutzend Bürgerinitiativen auf den Weg gemacht, aber den Zieleinlauf hat noch keine geschafft. Weder die für die Abschaffung aller Telefon-Roaming-Gebühren, noch die für Tempo 30 in allen innerstädtischen Gebieten oder die für ein Verbot aller Tierexperimente.
Kommissionsvizechef Sefcovic zieht dennoch eine eher positive erste Jahresbilanz: "Ehrlich gesagt, ich hatte mit weniger Initiativen gerechnet. Und auch wenn man sich deren Ziele ansieht - ich denke nicht, dass man von einem Fehlstart sprechen kann."
Wasserversorgung - ein populäres Thema
Und eine Initiative ist immerhin schon auf der Zielgeraden. Sie nennt sich "Right2Water" und Pablo Sánchez ist der Kampagnendirektor. "Wir wollen, dass Wasser zu einem Grundrecht erklärt wird. Konkreter: Die Wasserversorgung darf nicht in private Hände gelangen. Und deshalb muss sie von den Regeln des europäischen Binnenmarkts ausgenommen werden."
Das ist besonders in Deutschland ein sehr populäres Thema, und so haben Sánchez und seine Mitstreiter schon mehr als anderthalb Millionen Unterschriften zusammenbekommen. In fünf Ländern wurde auch schon die notwendige Mindestanzahl erreicht, und Sánchez ist sich sicher, dass das in den beiden fehlenden Ländern auch bald geschafft wird. Aber das war ein hartes Stück Arbeit: "Das System, das die EU-Kommission für die Abwicklung der Initiativen eingerichtet hat, ist nicht sehr benutzerfreundlich. Aber es ist zu schaffen, das haben wir ja gezeigt."
Probe aufs Exempel
Die eigentliche Probe aufs Exempel kommt aber erst noch. Nämlich, wenn ausreichend gültige Stimmen in Brüssel eingereicht worden sind. "Dann werden wir sehen, ob die Kommission den Volkswillen in einer Schublade verschwinden lässt oder ob sie sich ernsthaft damit auseinander setzt.
Das weiche Wasser bricht den Stein, heißt es. Aber ob die Wucht der Wasserinitiative in Brüssel ankommt?
Denn eine erfolgreiche Bürgerinitiative führt nicht zwangsläufig zu einer Gesetzesinitiative der EU-Kommission. Die Behörde kann das auch ablehnen. Deren Vizechef Sefcovic will sich denn auch noch nicht festlegen. "Wir werden den Ruf von so vielen Bürgern natürlich sehr sehr ernst nehmen. Und wir werden die Organisatoren einladen und alle Aspekte mit ihnen diskutieren. Aber natürlich müssen wir bei der Entscheidungsfindung immer die Balance finden zwischen den berechtigten Interessen der Organisatoren und dem allgemeinen europäischen Interesse. Und deshalb ist es noch zu früh, um ein Ergebnis vorherzusagen."
Gerald Häfner hat allerdings beobachtet, dass die Wucht der Wasserinitiative in Brüssel durchaus schon eine gewisse Wirkung entfaltet hat. "Der Kommissionsvorschlag ist verändert worden und sieht jetzt nicht mehr im gleichen Ausmaß einen indirekten Privatisierungszwang vor wie das ursprünglich geplant war."
Und so hat die Europäische Bürgerinitiative für den grüne Europaparlamentarier denn doch ihr Gutes: "Hier sehen wir: Das Einmischen von Bürgern kann sich lohnen."
Mit EBI können EU-Bürger die Europäische Kommission direkt zum Handeln auffordern. Die EU-Volksbegehren sind damit vergleichbar mit Verfahren direkter Demokratie wie die Bürger- oder Volksbegehren in Deutschland auf kommunaler oder Landesebene.
Damit eine EU-Bürgerinitiative erfolgreich ist, müssen sich mindestens eine Million Bürger aus sieben Ländern eintragen. Mit der Initiative gegen die Privatisierung der Wasserversorgung ist dies jetzt erstmals passiert. EU-Volksbegehren sind seit 2009 möglich. Starten müssen eine solche Initiative mindestens sieben wahlberechtigte EU-Bürger mit Wohnsitz in sieben verschiedenen EU-Ländern. Die Unterschriftensammlung selbst läuft maximal zwölf Monate - über das Internet oder schriftlich.
Die EU muss sich bei Erfolg mit dem Thema befassen und hat maximal drei Monate Zeit, zu reagieren. Eine formelle Antwort ist Pflicht, ein Gesetzgebungsverfahren muss die Kommission aber nicht zwingend einleiten.