Lage in der Ukraine Etwas Freude im Schatten des Kriegs
Möglicherweise Phosphorbomben auf das Stahlwerk Azovstal in Mariupol, Raketenangriffe auf den Westen des Landes: In der Ukraine bot die Freude über den Sieg beim ESC nur einen kurzen Moment der Hoffnung.
Als Europa die ukrainische Band Kalush Orchestra zum Sieger des Eurovision Song Contests kürt, berichten die Medien in der Ukraine über Luftalarm - fast auf dem gesamten Territorium des Landes.
Das Militärkommando meldet dann Angriffe mit Marschflugkörpern auf die westukrainische Region Lwiw. "Der Angriff geschah vom Schwarzen Meer aus, zwei Raketen wurden von uns abgeschossen. Vier weitere trafen ein Militärobjekt. Es ist vollständig zerstört", hieß es von der ukrainischen Seite.
"Wir haben nicht so viele gute Nachrichten in letzter Zeit", sagte der Gründer von Kalush Orchestra und frischgebackener ESC-Sieger Oleh Psjuk im Vorfeld. Ein Sieg würde aus seiner Sicht die Ukrainerinnen und Ukrainer aufbauen.
Sieg zum Aufruf an Europa genutzt
Die große ESC-Bühne nutzte der Frontmann, um zur Hilfe für sein Land im Kriegszustand aufzurufen. Vor allem das europäische Publikum zeigte seine Solidarität mit der Ukraine - und machte den Traum vom ESC-Sieg wahr. "Ein Riesendank an alle, die für uns gestimmt haben. Ein Riesendank an jeden, der die Ukraine unterstützt. Europa, danke!"
Unklar ist, ob die Ukraine nun den nächsten ESC austragen kann. Der Bürgermeister von Kiew Vitali Klitschko schrieb, die Stadt bereite sich darauf vor. Man wisse, wie man’s macht. Präsident Wolodymyr Selenskyj hoffte, eines Tages könne auch das ukrainische Mariupol den ESC empfangen.
Erneute Bombardierung Mariupols
Aus der Stadt kam die Meldung, russische Truppen hätten geächtete Phosphorbomben gegen das Stahlwerk Azovstal eingesetzt. Das behauptete ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol. Zwar zeigen die Bilder von vor Ort Angriffe, die Phosphorbomben ähneln, unabhängig bestätigen lässt sich das allerdings nicht. Phosphorgeschosse können schwere Verbrennungen verursachen und zu einem qualvollen Tod führen.
Der brutale Krieg, er trübt die Freude der Ukrainerinnen und Ukrainer über den Sieg beim ESC. Der Pokal ist jedoch auch eine Quelle der Hoffnung. Jurij, selbst ein Musiker und aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet, erzählte: "Ich hoffe sehr, dass der ESC nächstes Jahr in der Ukraine stattfinden wird. Unter friedlichem Himmel. Ich hoffe, dass der ESC-Sieg zur Garantie unseres Sieges im Krieg werden kann. Zur Garantie, dass die ganze moderne, zivilisierte Welt sich alle Mühe macht, uns zu helfen, damit wir den Krieg gewinnen können. Darauf baue ich sehr."
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Kommt die Wende im Sommer?
Immer mehr ukrainische und ausländische Militärexperten halten den ukrainischen Sieg gegen die russische Invasion für realistisch. Wenn der Widerstand der Streitkräfte genauso ungebrochen bleibe, und wenn der Westen weiter Waffen liefere - so die Einschätzungen. Mit einer Wende zu Gunsten der Ukraine rechnen die Kriegsanalysten im Sommer.
Bis dahin stehen weiter schwere Gefechte bevor: Nach aktuellen Erkenntnissen der ukrainischen Aufklärung könnte die russische Seite ihre Offensive in den Gebieten Donezk und Luhansk verstärken. Dort wird eine Anhäufung russischer Truppen und Artillerie beobachtet.