EU-Gipfel in Rom Einig im Grundsatz, zerstritten im Detail
In Rom erinnern die Staats- und Regierungschefs der EU an die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren. Wohin die Union nun steuert, haben sie in einer neuen Erklärung festgehalten. Die Verständigung darauf war schwierig.
Von Sabine Hackländer, ARD-Studio Brüssel, zurzeit Rom
Gestern eine Audienz beim Papst, heute zwar immer noch keine rauschende Party, aber zumindest eine solide Feierstunde, und das an historischem Ort: im Konservatorenpalast auf dem Kapitol, wo vor 60 Jahren sechs Gründerstaaten den Startschuss zur Europäischen Union gaben.
Hier wurde der wacklig gewordene Pakt also erneuert. Diesmal mit 27 Teilnehmern - Großbritannien ist bekanntlich gerade dabei, abzuspringen, wovon man sich aber keinesfalls die Stimmung verderben lassen wollte.
Ohnehin sei die Gipfelerklärung kein Hexenwerk, erklärte kürzlich erst die Bundeskanzlerin. Sie erinnerte daran, dass der Text zum 50. Jahrestag auch nur eine allgemeine Erklärung gewesen sei. "Wir wollten jetzt keine neuen 100 Seiten verfassen über unsere nächsten Arbeitsplanungen, sondern Bestandsaufnahme, Grundausrichtung, Einigkeit…"
Es wurde hart gerungen
Doch ganz so einfach war es dann doch nicht, alle Positionen unter einen Hut zu kriegen, diagnostizierte EU-Ratspräsident Donald Tusk im Vorfeld des Gipfels. Wochenlang war an so gut wie jedem Nebensatz der Erklärung gefeilt worden. Einige hätten sich einen radikalen Systemwechsel gewünscht, der sie von innereuropäischen Fesseln befreien und die Rolle der Nationen stärken sollte. Andere hätten das genaue Gegenteil gewollt und eine noch engere Zusammenarbeit gefordert, selbst wenn nur ein Teil der EU-Staaten dabei mitmachen würde.
Wegen solcher Widersprüche hatte die EU-Kommission gleich mehrere unterschiedliche Szenarien entwickelt, die als Anregung für eine gemeinsame Zukunftsvision dienen sollten. Herausgekommen ist nun offenbar ein Text, der sogar den zeitweise bitter umkämpften Gedanken eines Europa der mehreren Geschwindigkeiten integrieren konnte.
Dieser Text, betonte EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker im ZDF, sage eigentlich nur aus, dass diejenigen, die bereit sind, weiter zu gehen, das tun können, ohne von anderen aufgehalten zu werden. Wobei sichergestellt sein müsse, dass andere, die nicht können oder nicht wollen, später sich anschließen können.
Die Ängste der Osteuropäer
Vor allem osteuropäische Staaten hatten sich lange gesträubt, aus Angst abgehängt zu werden. Dieser Streit, heißt es seit gestern Abend, sei wohl beigelegt.
Schwierig gestaltete sich bis zuletzt dagegen die Diskussion um eine sozialere Ausrichtung der Gemeinschaft, wie sie vor allem von Griechenland gefordert worden war. Athen drohte gar mit einer Blockade, falls die Gipfelteilnehmer kein Bekenntnis zu verbesserten EU-Sozialstandards abgegeben sollten.
Vielleicht konnten da die Worte des italienischen Regierungschefs Paolo Gentiloni während der Papst-Audienz versöhnen. Er betonte, die Zeit sei gekommen, "unser Wohlfahrtsmodell auf europäischer Ebene zu verankern, in dem wir Ungleichheiten, soziale Ausgrenzung und Armut bekämpfen".
Viele Demonstrationen
Weitaus weniger kompromissbereit als die Staats- und Regierungschefs dürften die Demonstranten sein, die sich rund um den Tagungsort angekündigt haben. Vier Demonstrationszüge sind angemeldet - sowohl von Pro- als auch von Anti-Europäern, während auf dem Tiber Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen gegen die Flüchtlingspolitik der EU protestieren wollen.