EU sucht Kommissionschef Weber muss bangen
Wer wird Nachfolger von EU-Kommissionschef Juncker? Darüber gab es beim Mini-Gipfel in Brüssel keine Einigung. Auch beim weiteren Zeitplan für eine Entscheidung gibt es offenbar unterschiedliche Auffassungen.
Der Streit über die neue Besetzung der EU-Spitzenposten wird sich noch Wochen in die Länge ziehen. Frühestens Ende Juni soll von den Staats- und Regierungschefs ein Vorschlag für die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorliegen. Das machte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem EU-Sondergipfel in Brüssel deutlich. Das EU-Parlament stimmt im Anschluss über den vorgeschlagenen Kandidaten des EU-Rats ab - eigene Kandidaten darf das Parlament rechtlich nicht zur Wahl stellen.
Heute beraten die Abgeordneten der konservativen Parteienfamilie EVP zum ersten Mal nach der Europawahl. Es wird erwartet, dass sie ihrem Fraktionschef Manfred Weber den Rücken stärken. Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei und CSU-Politiker erhebt Anspruch auf Junckers Nachfolge, nachdem die EVP wieder stärkste Kraft im Parlament geworden ist. Hoffnungen machen sich aber auch sein sozialdemokratischer Gegenspieler Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager.
Schnelle Besetzung bevorzugt
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, eine schnelle Besetzung sei wichtig, damit die EU nach den Wahlen Handlungsfähigkeit beweise. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stemmt sich jedoch gegen das von Merkel favorisierte Prinzip, wonach einer der Spitzenkandidaten der Fraktionen aus dem EU-Parlament die EU-Kommission künftig steuern soll. Damit ist weiter offen, ob der derzeitige Favorit für den Job, der Chef der Christdemokraten im Brüssler Parlament, Weber, den Zuschlag erhält.
Der Sondergipfel am Dienstagabend in Brüssel war sich also keineswegs einig, dass Weber oder einer der anderen Spitzenkandidaten den Posten bekommen soll. Die Staats- und Regierungschefs setzten EU-Ratspräsident Donald Tusk als Vermittler ein. Er soll nun mit ihnen und mit dem EU-Parlament Gespräche führen und einen konsensfähigen Personalvorschlag machen.
Bei der Frage des EU-Kommissionspräsidenten uneins: Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron.
Alle Hoffnungen auf Tusk
Tusk sagte nach dem Ende des EU-Gipfels, er hoffe, zwei der bald vakanten Positionen bis zum nächsten Spitzentreffen am 20. und 21. Juni besetzen zu können. Eine davon sei das Amt des Kommissionspräsidenten.
Bis Herbst steht eine große Runderneuerung der EU-Führungsriege an, die hauptsächlich in den Händen des Rates, also der Vertretung der Mitgliedsländer, liegt. Neben einem Nachfolger für Juncker als Kommissions-Präsident ist auch die Leitung des Rates selbst zu vergeben.
Zudem wird ein neuer Chef der Europäischen Zentralbank als Nachfolger von Mario Draghi sowie ein neuer EU-Außenbeauftragter gesucht. Dieses Amt hat derzeit die Italienierin Federica Mogherini inne. Mit der Suche ist nun auch der ehemalige polnische Premier Tusk betraut. Er will einem Insider zufolge für jede Position nur einen Namen präsentieren. "Es ist nicht garantiert, aber das ist der Plan", sagte ein EU-Vertreter.
Zur Vorbereitung habe Tusk beim Gipfel die "Befindlichkeiten" der EU-Staats- und Regierungschefs ausgelotet. Es gehe dabei um deren Vorstellungen und Anforderungen an die Bewerber. Dabei gelte es, die Balance hinsichtlich der Geografie, der Parteizugehörigkeit und der Geschlechter zu beachten.
Mehrheit gesucht
Der künftige Kommissionspräsident braucht nicht nur im EU-Parlament, sondern auch im Rat der Staats- und Regierungschefs eine Mehrheit. EVP und Sozialdemokraten haben infolge der Europawahl erstmals gemeinsam keine Mehrheit mehr im Parlament und müssen ein Bündnis mit Liberalen oder Grünen suchen.
FDP-Chef Christian Lindner forderte die Grünen auf, die Dänin Vestager zu unterstützen. Die bisherige EU-Wettbewerbskommissarin wäre eine "vorzügliche, liberale Präsidentin der Kommission", sagte Lindner der "Welt". "Als kleinere Fraktion haben die Grünen ja keinen eigenen aussichtsreichen Kandidaten. Mit ihrem Support würden aber Margrethes Chancen steigen."
Gesprochen wird zwischen den Parteien über inhaltliche Forderungen ebenso wie über ein Personalpaket, bei dem alle Partner bedacht werden könnten. Das bestätigte Merkel nach den Gesprächen.