Konferenz zur Zukunft Europas Bürger sollen bei EU-Reformen mitreden
Die EU hat sich den Ruf eines bürokratischen Monsters eingehandelt, echte Reformen blieben bisher aus. Doch nun will Kommissionschefin von der Leyen genau das wagen. Die Bürger sollen dabei Einfluss auf die Zukunft Europas nehmen.
Die Europäische Union muss sich oft den Vorwurf gefallen lassen, sie sei bürokratisch und undemokratisch. Doch nun gelobt die EU-Kommission Besserung. Man werde zuhören und auf Wünsche der Europäer reagieren. Das versprach das Gremium, mit Blick auf die geplante Konferenz zur Zukunft Europas.
Dafür sollen mehrsprachige Onlineplattformen oder auch "Sportveranstaltungen und Festivals" genutzt werden, um mit Bürgern zu diskutieren. Erklärtes Ziel ist eine demokratischere und bürgernähere EU. "Ich wünsche mir, dass alle Europäer zur Konferenz zur Zukunft Europas aktiv beitragen und eine führende Rolle beim Setzen der künftigen Prioritäten spielen können", erklärte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. "Nur gemeinsam können wir die Union von morgen aufbauen."
Konkrete Ergebnisse bis 2022
Ein Anlass der Reformdebatte sind Forderungen des Europaparlaments nach mehr Einfluss bei der Besetzung von Spitzenposten. Vor der Europawahl 2019 hatte das Parlament darauf bestanden, dass einer der Spitzenkandidaten der Parteien Chef der EU-Kommission wird. Doch dann nominierten die EU-Staats- und Regierungschefs am Parlament vorbei von der Leyen. Um den Konflikt zu entschärfen, schlug von Leyen vor, eine Konferenz über die Zukunft Europas abzuhalten.
Die auf zwei Jahre angelegte Reformkonferenz soll voraussichtlich am 9. Mai beginnen - 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. An dem Tag jährt sich auch zum 70. Mal die Rede des damaligen französischen Außenministers Robert Schuman zur Gründung der Produktionsgemeinschaft Kohle und Stahl, eines Vorläufers der EU. Im Dialog mit den Bürgern soll es zunächst um die Wirtschafts,- Sozial- und Klimapolitik gehen. In der zweiten Jahreshälfte 2022 soll es dann nach Möglichkeit konkrete Ergebnisse geben.
Debatten nicht verbindlich
Kommissionsvize Dubravka Suica schloss nicht aus, dass die Konferenz Änderungen der EU-Verträge anstoßen wird. Dies wäre zum Beispiel nötig, um das Pendeln des EU-Parlaments zwischen Brüssel und Straßburg zu beenden oder um Mehrheitsentscheidungen der Mitgliedstaaten in Bereichen zu ermöglichen, in denen derzeit Einstimmigkeit benötigt wird. "Wenn die Leute Vertragsänderungen wollen, sind wir auch dafür offen", sagte die Kroatin.
Eine Verpflichtung der EU-Institutionen, die in den Debatten angesprochenen Punkte am Ende tatsächlich anzugehen, soll es indes nicht geben. Die Ergebnisse der Konferenz "sollen weiterverfolgt werden", sagte Suica lediglich.
"Nicht im Sande verlaufen lassen"
Die sozialdemokratische Fraktionschefin im EU-Parlament, Iratxe García, lobte den Ansatz der Kommission, aus der Brüsseler Blase herauszukommen und den Bürgern zuzuhören. Sie bemängelte aber, dass nicht klar sei, wie der Dialog gestaltet und wie Konsequenzen daraus gezogen werden sollen. Auch die FDP-Europapolitikerin Nicola Beer warnte davor, "den Prozess im Sande verlaufen zu lassen".
Die Grünen im Europaparlament forderten tiefgreifende Reformen. "Ich erwarte von der Kommission ein klares Bekenntnis zu Vertragsänderungen", erklärte der Europaabgeordnete Daniel Freund.