Vor dem Gipfeltreffen in Brüssel Die EU auf Sinnsuche
In Brüssel sind die Staats- und Regierungschefs der EU zusammengekommen. Bei dem Treffen soll es um die Euro-Krise und strategische Partnerschaften gehen, aber auch um das Bild der EU selbst. "Es reicht nicht, eine gemeinsame Botschaft zu haben", mahnte EU-Präsident van Rompuy vorab.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Kopenhagen ist ein Name, der die Strippenzieher der EU schaudern lässt. In Kopenhagen haben sie zum ersten Mal erfahren, wie es ist, nicht wichtig zu sein. Auf dem Klimagipfel von Kopenhagen voriges Jahr wollte die EU Weltführer in Sachen Klimaschutz werden, doch am Ende saß sie nicht einmal mit am Tisch, als die USA, China und andere ihren Deal aushandelten.
"Der Klimagipfel von Kopenhagen hat uns die Augen geöffnet", räumt auch Herman van Rompuy ein, der als EU-Präsident den heutigen Gipfel leitet: "Die Macht verschiebt sich, neue Akteure steigen auf, mit neuen Interessen, Merkmalen und Ansichten. Es reicht nicht, eine gemeinsame Botschaft zu haben, wir müssen sich auch effektiv rüberbringen!", mahnt van Rompuy in einer Video-Botschaft vor dem Gipfel.
Brasilien, Indien und China fordern mehr Einfluss
BRIC, IBSA oder BASIC - hinter diesen Kürzeln verbergen sich die neuen Sterne am Himmel der Weltmächte: Brasilien, Indien, China, manche rechnen auch Russland und Südafrika dazu. Doch besonders die ersten drei sind wirtschaftlich spektakulär gewachsen und fordern nun mehr und mehr Einfluss auf der politischen Bühne. Und die Europäische Union? Ist mit sich selbst beschäftigt, sagen die Kritiker.
Gemach, meint Hannes Swoboda, Sozialdemokrat und Europa-Abgeordneter aus Österreich: "Die Schlacht ist noch nicht verloren." Aber die EU sei nun wirklich an einem Punkt, an dem sie sich entscheiden müsse. "Wollen wir uns darauf konzentrieren, Roma abzuschieben und gegen den Islam auf europäischem Boden zu kämpfen, oder wollen wir uns dafür entscheiden, den Wettbewerb gegen China, Brasilien und andere aufzunehmen?"
EU-Personal ist kaum bekannt
Doch es gibt noch ein weiteres Manko: Die Menschen, die die EU dabei führen sollen, sind schon in Europa kaum bekannt: Ratspräsident Van Rompuy nämlich und Catherine Ashton, die eine Art Außenministerin der EU darstellt. Fleißig allerdings sind sie: Ashton baut gerade den Diplomatischen Dienst auf, der die EU künftig in aller Welt vertreten soll. Die ersten 28 EU-Botschafter sind seit gestern bekannt. Der wichtige Posten der EU-Vertretung in Peking ging an den deutschen Diplomaten Markus Ederer.
Und heute will Ratspräsident van Rompuy die EU-Chefs auf einen neuen außenpolitischen Kurs einschwören: "Bisher hatten wir strategische Partner, nun brauchen wir auch eine Strategie!" Sein Vorschlag: Künftig soll die EU geschlossen mit klaren Botschaften und einem klaren Arbeitsauftrag ihren Partnern gegenüber auftreten. Und diesen Arbeitsauftrag sollen die 27 Regierungen formulieren, fordert van Rompuy.
Der Beginn eines langen Prozesses
Aber was soll dieser Arbeitsauftrag sein? Auf keinen Fall kann es nur um die Verbesserung von Wirtschaftsbeziehungen gehen, sagt Helga Trüpel, Europa-Abgeordnete der Grünen. Die EU brauche China in allen wichtigen außenpolitischen Fragen wie etwa der Klima- und Energiepolitik. Aber genauso klar müsse sein, dass Menschenrechte keine westliche Erfindung seien: "Das verlangen wir auch von den Chinesen."
Doch genau da wird es schon wieder schwierig: Während Länder wie Schweden sich sehr für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, sei Frankreich großzügig, solange es Atomkraftwerke und Schnellzüge verkaufen kann, sagt Trüpel. Das weiß auch Präsident van Rompuy. Und so schreibt er den Regierungschefs in seinem Einladungsbrief, heute sei der Beginn eines langes Prozesses.