Oettinger stellt AKW-Stresstest vor Prüfung auf Mensch, Natur und Technik
Wochenlang hatte Energiekommissar Oettinger mit den EU-Staaten über die Kritierien für den europäischen AKW-Stresstest gestritten - jetzt verkündete er die Einigung. Der Test soll Gefahren durch Naturkatastrophen, menschliche Fehler und Flugzeugabstürze prüfen - nicht aber durch Terror.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Günther Oettinger fühlt sich offensichtlich wohl: "Wenn man mittendrin steht, und die Kritik höchst unterschiedlich ist, steht man, glaube ich, auf einem guten Platz", sagt der Energiekommissar gut gelaunt in Brüssel.
Tatsächlich ist Oettinger in den vergangenen Wochen schon vorab von allen Seiten unter Beschuss genommen worden. Lange hatte er mit AKW-Betreibern und Regierungen darüber verhandelt, auf welche Belastungen die 143 Atomkraftwerke in der EU geprüft werden sollten. Viele EU-Staaten empfanden seine Ideen als Einmischung, aus der Politik hingegen, vor allem der deutschen, hieß es, sie seien zu zaghaft.
Es geht um Natur und Technik ...
Herausgekommen ist ein Kompromiss, mit dem Oettinger zufrieden ist, weil er Neuland betritt. Alle Kernkraftwerke der EU sollen nun umfassend überprüft werden. Halten sie Naturkatastrophen stand? Das ist eine der Fragen, die Oettinger beantwortet wissen will. Und "das Thema Hochwassergefahren bei Binnengewässern wie dem Rhein oder am Atlantik mit Tsunamiwellen ist genauso zu prüfen wie extreme Kälte oder extreme Wärme". Erdbeben sind eingeschlossen. Wie sicher ist außerdem die Technik? Halten die Notstromaggregate auch in der Krise? Ist die Kühlung katastrophenfest?
Hinzu kommt der Faktor Mensch. Schließlich seien in Japan vor und nach der Reaktorkatastrophe Fehler gemacht worden, glaubt Oettinger. Ihm geht es nicht nur um die Qualifikation von Technikern, Arbeitern und Ingenieuren, sondern auch um die betriebliche Qualität im Kernkraftwerk.
... und den Faktor Mensch ...
"Was kann man für eine optimale Betreuung von Kernkraftwerken durch Menschen tun?", fragt der Kommissar. Tankerunglücke vor der Küste und Flugzeugabstürze zählt er ebenfalls in die Reihe dieser menschengemachten Katastrophen, die ein Atomreaktor aushalten sollte.
... aber nicht um Terror
Nicht durchsetzen konnte sich der EU-Kommissar mit seiner Forderung, auch Terrorattacken sollten in den Katalog aufgenommen werden. Das falle in die Zuständigkeit der EU-Staaten und soll nun von einer Arbeitsgruppe ausgeleuchtet werden.
Wichtig ist Oettinger, dass der Test in drei Stufen ablaufen soll. Auf der letzten Ebene, sagt er, sind Experten aus anderen Staaten aufgefordert, ihre Meinung abzugeben: "Das heißt, dass europäische Kontrolleure die Kontrolleure kontrollieren". Bis Ende des Jahres will Oettinger mit den Tests durch sein und die Ergebnisse den EU-Chefs präsentieren. Klar ist, das es keine Pflicht geben wird, durchgefallene Kraftwerke abzuschalten.
Kritik an "Stresstest light"
Kritik kommt prompt von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace: Was nun vereinbart wurde, seien lediglich Stresstests light. Die Tests seien nicht unabhängig und gäben zudem nicht immer Klarheit darüber, ob einige der offensichtlichsten Terrorziele ausreichend geschützt seien oder nicht. Kritik auch aus dem Europaparlament. Stresstests ohne verbindliche Konsequenzen blieben Makulatur, meint etwa Bernd Lange, Abgeordneter der SPD.
Die deutschen Kraftwerk sind in den vergangenen Wochen bereits getestet worden. Zwar hatte keines der 17 AKW die Bestnote erreicht, alle hatten aber bestanden. Die Tests müssen - auch nach der Einigung auf EU-weite Überprüfungen – offensichtlich nicht wiederholt werden.