EU will Demokratiebewegungen fördern Nicht mehr auf Du und Du mit Diktatoren
Der Freiheitswille der Menschen in Nordafrika hat auch die EU überrascht. Bis zum Jahreswechsel pflegte sie einen entspannten Umgang mit den Diktatoren der Region. Nun will die EU ihre Nachbarschaftspolitik ändern und die Demokratiebewegungen unterstützen. Das soll nicht nur mit Geld geschehen.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Tunesien, Ägypten, Libyen: Zu Zigtausenden erhoben sich dort die Menschen, um ihre Diktatoren zu stürzen. Ben Ali und Hosni Mubarak gingen beinahe freiwillig, Muammar al Gaddafi wird bis heute Nacht für Nacht bombardiert. Alle drei waren bis vor kurzem noch geschätzte Ansprechpartner der EU, manche Regierungschefs nannten sie gar "Freunde".
Aus heutiger Sicht wirkt das skandalös, aber zuvor ergab es Sinn: Diktaturen sind stabil, und Stabilität ist es, was die EU an ihren Außengrenzen braucht. "Nachbarschaftspolitik heißt: stabile Nachbarschaft", sagt auch Außenminister Guido Westerwelle, "das ist elementares Interesse aller Europäer".
Reformen nachrangig?
Mit über zwei Millarden Euro will die EU zwischen 2007 und 2013 ihre südlichen und östlichen Nachbarn unterstützen. Georgien und die Ukraine gehören genauso dazu wie Algerien und Israel. Das meiste Geld fließt in die Wirtschaftsförderung. Beispiel Ägypten: Nur elf Prozent des EU-Geldes, das für die nächsten Jahre veranschlagt wurde, dient zur Unterstützung demokratischer Reformen; der Rest soll helfen, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität zu entwickeln.
In Tunesien wiederum wollte die EU voriges Jahr den Aufbau des Justizwesens mit 20 Millionen Euro ankurbeln. Dass das Regime gleichzeitig aber unbequeme Richter entließ, kümmerte sie nicht weiter. Die Grünen im Europaparlament protestierten, wurden aber nicht ernst genommen.
Von den Völkern belehrt
Die demonstrierenden Massen vor Augen hat sich die Diskussion nun gedreht. Heute will Chefdiplomatin Cathy Ashton vorstellen, wen die EU in ihrer Nachbarschaft künftig warum und wie unterstützen will. Einen Kernsatz hat Ashton schon genannt: "Wir geben mehr für mehr, so dass die Länder, die tiefer und schneller mit ihren Reformen vorankommen, auch mit größerer Unterstützung der Europäischen Union rechnen können."
"Diese Verbindung zwischen Entwicklung, Demokratieförderung und Unterstützung ergibt Sinn", meint Politikforscher Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik EPC, "aber das muss man auch mit konkreten Mitteln unterstützen können". Geld wird in der Tat ein Problem werden: 1,2 Millarden Euro hat Ashton aus diversen Töpfen der EU zusätzlich zusammengekratzt, aber mehr dürften die 27 Regierungen nicht bewilligen in Zeiten wie diesen.
Nicht nur auf Regierungen schauen
Doch Geld ist nicht alles. Die EU muss sich ihre Partner künftig nicht in den Regimes, sondern in der Demokratiebewegung suchen, fordert Ashton. Sie müsse Studenten und Unternehmer aus reformwilligen Ländern leichter als bisher in EU einreisen lassen und ihren Produkte freien Zugang zum Markt der EU gewähren.
Franziska Brantner findet Ashtons Papier in großen Zügen gelungen: "Ich glaube, dass es in vielen Punkten einen richtigen Ansatz hat", sagt die Europaabgeordnete der Grünen, "wir müssen viel mehr anbieten". Die EU müsse bei Visaerleichterungen, Marktzugang und auch dem Geld nachbessern.
Wie hält es die EU mit den Migranten?
Sorgen bereitet ihr allerdings die Frage, ob die EU im Moment wirklich bereit wäre, mehr Migranten aus Nordafrika und Südosteuropa hineinzulassen. Außerdem wehren sich Südländer wie Spanien und Portugal dagegen, ihre Märkte für Agrarprodukte aus Nordafrika zuu öffnen.
Dass die Regierungen der EU ihre Nachbarn in erster Linie als Bedrohungen wahrnehmen, hat auch Politikforscher Emmanouilidis ausgemacht. Daran könnte die ganze neue Politik scheitern, fürchtet er. Aber, mahnt er, die EU sollte sich auch nicht überschätzen: "Wir können nur einen Beitrag dazu leisten." Am Ende seien es diese Länder selbst, von denen die Dynamik ausgehen müsse für einen Wandel.