Kunstinstallation gegen Wasserverschmutzung am Strand von Whitstable
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Englands stinkende Küsten Widerstand gegen private Wasserkonzerne

Stand: 22.04.2024 15:18 Uhr

In England werden Millionen Kubikmeter ungeklärtes Wasser in Flüsse und das Meer geleitet. Jetzt gibt es Widerstand: Vielerorts weigern sich Anwohner, ihre Wasserrechnungen zu bezahlen.

Eigentlich ist Whitstable ein idyllischer Bade- und Hafenort - nur anderthalb Stunden östlich von London - mit einem wunderbar breiten Strand. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler, den man allerdings nicht sehen kann: Es stinkt. Denn wann immer es stark geregnet hat, leiten die Wasserfirmen ungefilterte Fäkalien in den Hafen und damit ins Meer.

Für die Fischer wie Graham West, die hier die berühmten Whitstable Austern züchten und verkaufen, sei das ein Riesenproblem, erklärt er jedem, der an seinem Laden vorbeikommt.

"Das ist eine unglaubliche Sauerei, jedes Mal wenn es regnet, passiert das. Wir sind Fischer, wir brauchen doch sauberes Meerwasser für unsere Austern, wenn wir sie da raus holen."

Weltspiegel England: Widerstand gegen Wasserkonzerne

Annette Dittert, ARD London , Weltspiegel, 21.04.2024 18:30 Uhr

Frische Austern müssen aufwändig gereinigt werden

Seine Austern kann er so nicht mehr direkt verkaufen, er muss sie jetzt mindestens 72 Stunden lang reinigen, ein vorgeschalteter Filter desinfiziert das Meerwasser, damit die Fäkalienreste aus den Austern herausgespült werden.

Ein Riesenaufwand: "Das kostet mich deutlich mehr Geld, Strom, mehr Zeit und ich kann insgesamt viel weniger Austern hier durchlaufen lassen. Früher habe ich in einer Woche hier 40.000 verkauft." Heute seien es maximal 5.000 pro Woche. Auf Dauer überleben könne er so nicht, sagt er.

Noch weit dramatischer ist die Lage am Strand. Überall wo kleine, rote und auf den ersten Blick unschuldigen Hütchen aus dem Wasser ragen, sind Abwasserrohre verborgen, aus denen die vor Jahren privatisierten Wasserfirmen ganz legal Exkremente ins Meer leiten dürfen, wenn das Abwassersystem überlastet ist.

Proteste gegen die Praxis der Wasserunternehmen

Ed und Catherine sind Mitglieder einer lokalen Initiative, die das ändern will. Sie inspizieren die Rohre regelmäßig, denn die Genehmigung dafür gelte eigentlich nur für seltene Ausnahmesituationen, erzählen sie.

"Wenn es stark geregnet hat, dann darf der Dreck eingeleitet werden, weil sich sonst das Abwasser in die Häuser zurückstaut. Aber diese Genehmigung war nur für extremes Wetter, vielleicht achtmal im Jahr, jetzt aber haben wir es alle zwei Wochen, mindestens."

Aber selbst bei normalem Wetter und Sonnenschein, kommt aus dem Rohr meist eine ekelhaft stinkende braune Brühe. Die richtig großen Sauereien, erklären sie, passierten aber immer bei Flut, damit sie möglichst unbemerkt bleiben. Allein im Jahr 2023 wurde offiziell 400.000 Mal derart ungereinigtes Abwasser in Flüsse und ins Meer abgelassen.

Und das sind nur die Fälle, die registriert wurden. Da das nur in wenigen Fällen in diesem Ausmaß legal ist, müssen die Firmen zwar Strafen zahlen, die allerdings meist so gering sind, dass sie sie locker wegstecken.

Schmutziges Erbe der Regierung Thatcher

Denn seit Margaret Thatcher die englischen Wasserfirmen 1989 privatisiert hat, haben die umgerechnet mehr als 70 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausgezahlt, in Abwasser-Rohre und Infrastruktur allerdings nur marginal investiert. Weshalb englische Flüsse und das Meer mittlerweile im Dreck versinken.

Immer häufiger landen Briten, die einfach nur schwimmen waren, im Krankenhaus, oft mit schweren Lebervergiftungen, denn im ungeklärten Abwasser sind jede Menge Bakterien.

Im vergangenen Sommer kam es so an vielen Stränden, auch in Whitstable zu für englische Verhältnisse ungewohnt lautem Protest, tausende versammelten sich am Hafen um gegen die chronische Wasserverschmutzung zu protestieren.

Die Vorsitzender Tory-Partei, Margaret Thatcher, breitet auch dem  Parteitag im Oktober 1989 in Blackpool unter dem Applaus von Parteifreunden die Arme aus.

Margaret Thatcher veränderte Großbritannien radikal. Die Folgen ihrer Politik sind noch heute zu spüren - und zu riechen.

Ungeklärtes Abwasser auch für Badende gefährlich

Eine der Demonstrantinnen ist Elaine Hefemann. Sie sei im vergangenen Jahr derart krank geworden, dass sie über Wochen nicht zur Arbeit konnte. Seitdem boykottierte sie einfach ihre Wasser-Rechnung: "Ich habe gezahlt, seit die Wasserversorgung privatisiert wurde, die Firmen haben das alles damals schuldenfrei übernommen, wir haben jahrelang geblecht, damit sie in die Infrastruktur investieren und sie haben einfach nichts gemacht. Warum sollte ich dafür jetzt nochmal zahlen?“

Noch ist der Kreis der aktiven Widerständler ein kleiner, ein lokaler Künstler hat ihnen am Strand ein Denkmal gesetzt, aus Beton. Denn wenn sie hier einmal wütend werden, hält sich das. Die Forderung: Die Wasser-Firmen müssten wieder verstaatlicht werden, so Elaine: "Und zwar ohne, dass die Aktionäre nochmal absahnen, die haben in den letzten Jahren Milliarden bekommen! Warum sollte jemand überhaupt Geld machen mit unserem Wasser? Demnächst werden sie uns noch die Luft verkaufen, die wir atmen, wenn wir sie lassen."

Bis die Briten in ihrem Meer wieder sorgenfrei baden können, wird es Jahrzehnte dauern. Aber selbst wenn der Staat das marode System jetzt wieder übernehmen würde, einen Großteil der Kosten, die anfallen, wenn die Infrastruktur dann repariert werden würde, müsste am Ende doch wieder die Steuerzahler tragen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD-Sendung "Weltspiegel" am 21. April 2024 um 18:30 Uhr.