Einigung von EU-Staaten Asylverfahren sollen verschärft werden
Nach jahrelangem Streit hat sich die EU nun auf eine Asylreform geeinigt. Sie soll vor allem den Zustrom von Menschen ohne Anrecht auf Schutz reduzieren. Deutschland musste für die Einigung auf seine Forderung verzichten.
Die Asylverfahren in der EU sollen deutlich verschärft werden. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte nach stundenlangen Verhandlungen eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie der EU-Ratsvorsitz mitteilte.
Sie sehen insbesondere einen deutlich rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller eine Chance auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte bei dem Treffen allerdings, dass sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen wird, dass alle Kinderrechte gewährt bleiben.
Verhandlungen mit EU-Parlament stehen noch aus
Denkbar ist auch, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln. Neben den verschärften Asylverfahren sehen die nun beschlossenen Pläne auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
Staaten wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan. Von der Pflicht zur Solidarität könnten beispielsweise Länder wie Italien profitieren. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und hatten damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.
Faeser: "Historischer Erfolg"
Faeser zeigte sich trotz des Verzichts Deutschlands auf die Forderung zum eingeschränkten Grenzverfahren zufrieden: "Können endlich für eine verlässliche Steuerung und Ordnung der Migration und eine neue, solidarische Migrationspolitik sorgen", hieß es in einer Mitteilung des Innenministeriums. Außerdem sprach Faeser auf Twitter von einem "historischen Erfolg - für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten".
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verteidigte die Entscheidung. "Der Kompromiss ist ganz und gar kein einfacher. Zur Ehrlichkeit gehört: Wenn wir die Reform als Bundesregierung alleine hätte beschließen können, dann sähe sie anders aus", schrieb die Grünen-Politikerin in einer Erklärung. "Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Wer meint, dieser Kompromiss ist nicht akzeptabel, der nimmt für die Zukunft in Kauf, dass niemand mehr verteilt wird", so Baerbock.
Zuvor Kritik aus Deutschland
Über eine Reform des EU-Asylsystems wird bereits seit Jahren gerungen. Auch in Deutschland ist darüber zuletzt verstärkt gestritten worden. So hatte etwa die Grünen-Parteibasis in einem von rund 730 Parteimitgliedern unterzeichnetes Schreiben unter anderem an Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck Pläne für eine "massiven Beschneidung des Asylrechts" beklagt. Auch sprachen sich Dutzende Schauspieler, Musiker und andere Prominente in einem offenen Brief an die Bundesregierung gegen eine Verschärfung der Asylpolitik aus.
Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.