Streit über EU-Gelder für Ungarn Von der Leyen muss mit Klage rechnen
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat sich für eine Klage gegen die EU-Kommission ausgesprochen. Deren Chefin von der Leyen hatte Fördermittel für Ungarn freigegeben, die wegen Korruption eingefroren waren.
Es steht der Verdacht im Raum, dass sich die EU-Kommission die Zustimmung des ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán für Beitrittsgespräche mit der Ukraine erkauft hat. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begründete die Freigabe von 10,2 Milliarden Euro mit den Justizreformen, die in Ungarn eingeleitet worden sind.
Viele EU-Abgeordnete wie der Grünen-Politiker Daniel Freund sehen in dem Schritt unmittelbar vor dem EU-Gipfel im vergangenen Dezember allerdings ein politisches Manöver. "Schlimmer noch: Es steht der Verdacht im Raum, dass die Kommissionspräsidentin sich von Orbán hat erpressen lassen. Das darf nicht sein. Und um das zu klären, geht das Europäische Parlament jetzt vor den Europäischen Gerichtshof", sagte Freund.
Übergroße Mehrheit im Ausschuss
Die Klage-Entscheidung fiel im Rechtsausschuss mit übergroßer Mehrheit von 16 Ja-Stimmen zu einer Nein-Stimme. Auch Ursula von der Leyens eigene Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP ist dafür.
Natürlich gehe es nicht darum, das Ansehen der Kommission oder ihrer Präsidentin zu beschädigen, sagte der CDU-Europaparlamentarier Axel Voss. Für den rechtspolitischen Sprecher der EVP-Fraktion, zu der auch die Unions-Gruppe gehört, ist aber gerade vor den anstehenden Europawahlen im Juni besonders wichtig, rechtsstaatliche Prinzipien und allgemeine Werte der EU zu verteidigen: "Wir wollen damit deutlich machen, dass die Verletzung von Rechtsstaatlichkeit nicht einfach so hingenommen werden kann. Deshalb kann ich eigentlich einen Imageschaden des Parlaments oder der Europäischen Union hier in diesem Schritt nicht erkennen", so Voss.
Klage hat noch weiteren Zweck
Die Klage soll vor allem auch darüber Aufschluss geben, wie viel Spielraum die EU-Kommission bei ihren Entscheidungen über das Zurückhalten von Haushaltsgeldern hat. Ein vom Parlament in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten war zunächst zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen.
Deshalb sei es auch nicht vorherzusagen, wie der Gerichtshof entscheiden werde, sagte der Rechtspolitiker René Repasi, der für die Sozialdemokraten als Stellvertreter im Rechtsausschuss sitzt: "Mit der Rechtsstaatlichkeit dürfen meines Erachtens keine politischen Spielchen gespielt werden. Deswegen müssen die Grenzen auch strikt rechtsstaatlich ausgerichtet sein", so Repasi. "Und es gibt schon Zweifel, ob die richterliche Unabhängigkeit um die es hier ging, in Ungarn tatsächlich wiederhergestellt worden ist. Zum anderen geht es um den Schutz der finanziellen Interessen der Union."
Geld in "dunklen Kanälen"
Denn bei Rechtsstaatsverstößen wie Korruption und mangelnder Unabhängigkeit der Justiz ist die Gefahr groß, dass die Gelder europäischer Steuerzahler direkt in dunklen Kanälen versickern, sagt Moritz Körner, Vorsitzender der FDP-Gruppe im EU-Parlament: "Wir können nicht akzeptieren, dass Ursula von der der Leyen Nachsicht gegenüber Korruption übt."
Bei der Klage geht es um die Annullierung der Kommissionsentscheidung. Das heißt, im Erfolgsfall müsste das Geld wieder eingezogen oder mit künftigen Zahlungen verrechnet werden. Vor allem aber soll es ein Signal sein, dass die EU-Kommission nicht auf den Gedanken kommen sollte, die noch weiter zurückgehaltenen restlichen 20 Milliarden Euro vorschnell an Budapest auszuzahlen.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat nun bis zum 25. März Zeit, vor das Europa-Gericht in Luxemburg zu ziehen. Sie folgt den Ausschuss-Voten in den meisten Fällen.