Schutz von Menschenrechten EU-Länder einigen sich auf Lieferkettengesetz
Das geplante EU-Lieferkettengesetz hat eine entscheidende Hürde genommen - trotz Widerstands in der deutschen Bundesregierung: Eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten unterstützt das Gesetz zum Schutz der Menschenrechte.
Nach wochenlangen Debatten hat die Mehrheit der EU-Staaten für ein gemeinsames europäisches Lieferkettengesetz gestimmt. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft auf der Online-Plattform X mit. Das Europäische Parlament muss der Vorlage nun ebenso zustimmen. Dies gilt aber als sicher.
Das Gesetz soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten, sicherstellen - also auch bei ihren Lieferanten. Unternehmen müssen nun künftig europaweit dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte aus Drittländern dort nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden führen.
Gesetz abgeschwächt
Der angenommene Gesetzentwurf sieht dabei weniger strenge Regeln vor als der ursprüngliche Entwurf. Zunächst sollte das EU-Lieferkettengesetz bereits für Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro im Jahr gelten.
Der neue Entwurf gilt nun für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Die jährliche Umsatzschwelle liegt bei 450 Millionen Euro. Auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung wurde abgeschwächt. EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission hatten sich bereits im Dezember auf das Gesetz geeinigt.
FDP wollte Gesetz nicht mittragen
In Deutschland hatte die FDP ihr Veto gegen das Gesetz eingelegt. Die Liberalen befürchten etwa, dass sich Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen. Deshalb enthielt sich die Bundesregierung bei der Abstimmung in Brüssel. Eine Enthaltung in dem Gremium wirkt wie eine Nein-Stimme.
Ob trotz der Enthaltung Deutschlands eine Mehrheit für die Richtlinie zustande kommen könnte, galt seither als offen. Für eine Annahme war eine Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten mit einem EU-Bevölkerungsanteil von mindestens 65 Prozent nötig. Diese qualifizierte Mehrheit wurde nun erreicht. Auch ohne Deutschland.
Lob von der SPD, Kritik von der Wirtschaft
Politiker von SPD und Grünen befürworteten das Vorhaben. Die Unstimmigkeiten hatten zu einem offenen Schlagabtausch in der Ampelkoalition geführt. Entsprechend begrüßte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Entscheidung in Brüssel: "Das ist gut für die Menschenrechte und die deutsche Wirtschaft, denn dadurch schaffen wir faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen in Europa." Der SPD-Politiker hatte die Richtlinie auf EU-Ebene federführend mit verhandelt.
Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss sagte, dass wegen des abgeschwächten Geltungsbereichs weniger Unternehmen durch das EU-Lieferkettengesetz betroffen seien als durch das deutsche Pendant. Er kritisierte aber scharf, dass die Änderungen nicht mit dem Parlament verhandelt worden seien.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, beklagte, das Gesetz sei ein weiterer Rückschlag für Europas Wettbewerbsfähigkeit. "Das Ergebnis ist kein Sieg für die Menschenrechte, sondern ein Sieg für die Bürokratie", erklärte auch der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura.
Die Nachverhandlungen in den vergangenen Wochen hätten zwar Änderungen gebracht, die aus Sicht der Wirtschaft positiv zu bewerten seien, meinte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. "Dennoch bleibt es für Unternehmen eine große Belastung, weltweite Lieferketten und direkte sowie indirekte Geschäftspartner zu kontrollieren."