Umbau der Justiz EU beendet Rechtsstaatsverfahren gegen Polen
Schlussstrich unter einem historischen Streit: Die EU-Kommission hat nach sieben Jahren das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingestellt. Die Entscheidung ist vor allem ein Ausdruck des Vertrauens in Regierungschef Tusk.
Die EU-Kommission sieht nach Jahren schwerster Bedenken keine Gefahr mehr für die Rechtsstaatlichkeit in Polen. Sie hat deswegen ein Verfahren zum Schutz der europäischen Grundwerte beendet. Das sei jetzt nur noch der formale Schlussstrich gewesen, erklärte ein Sprecher der Kommission.
Schon seit Monaten sagt die Kommission, dass sie keine Gefahr mehr für die Rechtsstaatlichkeit in Polen sieht. Im Herbst vergangenen Jahres war nämlich die nationalkonservative PiS-Regierung, die Polen von 2015 bis 2023 geführt hatte, abgewählt worden. Sie hatte aus Sicht der EU-Kommission die Gewaltenteilung in Polen gefährdet.
Einmaliger Vorgang im Jahr 2017
Konkret schuf die PiS-Regierung die Möglichkeit, Richter zu kontrollieren und zu sanktionieren. Zudem hinderten die neuen Maßnahmen polnische Richter daran, sich bei bestimmten Rechtsfragen an den Europäischen Gerichtshof zu wenden.
Als Reaktion auf diesen Justizumbau leitete die Kommission 2017 ein Verfahren wegen der Gefährdung von elementaren Grundwerten der Europäischen Union gegen Polen ein. Das war bis dahin ein einmaliger Vorgang. Das Verfahren hätte theoretisch sogar zu einem Entzug der Stimmrechte bei EU-Entscheidungen führen können.
Die neue polnische Regierung unter dem sozialliberalen Donald Tusk, einem ehemaligen EU-Ratspräsidenten, legte im Februar einen Plan vor, mit dem die umstrittenen Maßnahmen Stück für Stück wieder rückgängig gemacht werden sollen. Daraufhin hatte die EU angekündigt, 138 Milliarden Euro für Polen, die wegen des Rechtsstaatsverfahrens zurückgehalten worden waren, wieder freizugeben.
Reparatur wird noch lange dauern
Mit der Entscheidung, das Verfahren gegen Polen zu beenden, drückt die EU-Kommission auch ihr Vertrauen in die neue Regierung in Warschau aus. Das Zurückdrehen der beanstandeten Reformen der PiS-Regierung wird nämlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
So sieht das "Reparaturpaket" für den Umbau des Verfassungsgerichts vor, dass durch eine Verfassungsänderung alle bisherigen Richter aus dem Amt ausscheiden und die Posten neu besetzt werden, wobei Regierungslager und Opposition über die Besetzung entscheiden sollen.
Doch für die Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, die wegen des Widerstandes der PiS bislang nicht in Sicht ist. Ein anderes Gesetz, das die Unabhängigkeit des Landesjustizrats wieder herstellen soll, liegt noch zur Abstimmung vor. Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, könnte es torpedieren.
Rechtsstaatsverfahren auch gegen Ungarn
Das einzige EU-Land, gegen das jetzt noch ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren läuft, ist Ungarn. Dort steht Ministerpräsident Viktor Orban unter dem Verdacht, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungsfreiheit einzuschränken und Korruption zu fördern.
In diesem Fall hält die Union noch immer mehr als zwanzig Milliarden Euro zurück. Zehn Milliarden waren kurz vor dem EU-Gipfel im Dezember frei gegeben worden.
Mit Informationen von Thomas Spickhofen, ARD-Studio Brüssel