Nachhaltige Investitionen Worum es bei der EU-Taxonomie geht
Was genau bedeutet Taxonomie? Wie soll sie umgesetzt werden? Und warum ist die Einordnung von Atomkraft und Gas als nachhaltige Energiequellen so umstritten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist Taxonomie?
Dem Wort nach bedeutet Taxonomie erst einmal nur die Einordnung in ein bestimmtes System. Bei der EU-Taxonomie soll es konkret darum gehen, Finanzprodukte nach ihrer Nachhaltigkeit zu kategorisieren.
Unternehmen können bis zu 100 Punkte erhalten - je nachdem, wie sehr sie mit der Taxonomie im Einklang sind. So sollen EU-Bürger und Investoren genaue Informationen darüber erhalten, welche wirtschaftlichen Aktivitäten auch nachhaltig sind.
Warum ist eine EU-Taxonomie nötig?
Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Dafür braucht es rund 350 Milliarden Euro Investitionen, schätzt die EU-Kommission. Die Taxonomie soll dabei helfen, dass Anleger ihr Geld eher in umwelt- und klimafreundliche Wirtschaftsbereiche investieren.
Momentan ist die Taxonomie vor allem für private Investoren geplant. Aber auch die EU-Kommission oder einzelne Mitgliedstaaten könnten sie als Wegweiser für Haushaltsausgaben nutzen. Sogar die Europäische Zentralbank könnte mithilfe der Taxonomie bewerten, unter welchen Bedingungen sie Banken Geld zur Verfügung stellt.
Welche Kritik gibt es an der Taxonomie?
Bisher gibt es viele verschiedene Labels für nachhaltige Geldanlagen. Mit der einheitlichen Einordnung auf EU-Ebene sollte eigentlich Greenwashing vermieden werden - also das falsche Ausweisen von schädlichen Produkten als klimafreundlich.
Allerdings kritisieren inzwischen Wissenschaftler, Umweltschützer und auch einige Investoren, dass die Taxonomie Greenwashing eher fördert als es zu verhindern. Das liegt vor allem daran, dass Gas und Atomkraft als klimafreundliche Energiequellen aufgenommen werden sollen.
Warum sollen Gas und Atomkraft als klimafreundlich gelten?
Beide Energiequellen werden als "Brückentechnologien" auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung gesehen, weil sie weniger Treibhausgase ausstoßen als Kohlekraft.
Allerdings stoßen auch Gaskraftwerke jede Menge CO2 aus. Bei der Atomkraft gilt besonders die Lagerung der Abfallstoffe als problematisch.
Die Taxonomie stellt bestimmte Bedingungen an die Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundlich:
- Neue Gaskraftwerke sollen bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie direkte Emissionen von maximal 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde haben. Der neutrale Grenzwert für alle Technologien liegt laut Taxonomie eigentlich bei 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.
- Neue Atomkraftwerke sollen bis 2045 als nachhaltig gelten, wenn es einen konkreten Plan für die Endlagerung ab spätestens 2050 gibt. Wie das überprüft werden soll, ist bislang unklar.
Wie stehen die einzelnen EU-Länder zu den Brüsseler Plänen?
Durch die Taxonomie erhoffen sich Länder wie Frankreich oder Polen mehr privates Kapital für den Bau von Atomkraftwerken. Deutschland hingegen lehnt Investitionen in die Atomkraft ab, mit der Begründung, dass diese als Energiequelle eindeutig nicht nachhaltig sei. Die Bundesregierung unterstützt jedoch ein grünes Label für Gas mit dem Argument der Nutzung als "Brückentechnologie" und will den Ausbau der Gasinfrastruktur vorantreiben.
Eine von Spanien geführte Gruppe an EU-Ländern ist wiederum strikt gegen grün etikettierte Investitionen in beide Energiequellen. Unterstützt wird die Haltung Spaniens von Österreich, Dänemark und Luxemburg.
Wie geht es jetzt mit der Taxonomie weiter?
Nachdem die EU-Kommission die Verordnung heute verabschiedet, haben die EU-Staaten und das Europäische Parlament vier Monate Zeit, um den Vorschlag abzulehnen. Dafür braucht es eine Mehrheit im Parlament oder es müssen sich mindestens 20 Mitgliedsländer zusammenschließen, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Sollte es keine Mehrheit dagegen geben, tritt die Verordnung automatisch in Kraft.
Allerdings haben Österreich und Luxemburg bereits damit gedroht, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Taxonomie zu klagen. Solch eine Klage könnte Erfolg haben, schätzen Rechtsexperten des Centrums für Europäische Politik. Die Kommission überschreite mit der Verordnung womöglich ihre Kompetenzen.