Chan Yunis und Sderot Angst und Verzweiflung auf beiden Seiten
Es liegen nur 30 Kilometer zwischen Chan Yunis im Gazastreifen und Sderot in Israel. Und doch sind Welten zwischen diesen beiden Schauplätzen des Nahostkonflikts.
Chan Yunis im Süden des Gazastreifens: Dutzende Menschen warten vor einer Bäckerei auf Brot. Sie winken, strecken dem Verkäufer durch ein Fenster Geldscheine entgegen, um eine Plastiktüte voll Fladenbrot zu bekommen. Umm Abdullah Abu Riziq hat Glück. Doch das Brot reicht nicht.
"Es ist tragisch. Ich habe sieben wohnungslose Familien bei mir zu Hause. Seit sieben Uhr in der Früh habe ich angestanden. Das reicht nicht. Wir brauchen das Brot für die Kinder, nicht für uns. Ich kann in dieser Situation ohnehin nichts essen", sagt Riziq.
Hunderttausende Menschen sind aus dem Norden des Gazastreifens hier in den Süden gekommen. Sie fliehen vor den Angriffen der israelischen Armee auf Hamas-Ziele. Das Militär hat dafür - wie in den vergangenen Tagen - eine Fluchtroute veröffentlicht, die nicht bombardiert werde.
Immer wieder Raketenalarm in Sderot
Gut 30 Kilometer nordöstlich von Chan Yunis liegt Sderot. In der Stadt im Süden Israels leben normalerweise etwa 30.000 Menschen - in direkter Nachbarschaft zum Gazastreifen. Von dort feuert die Hamas seit Tagen immer wieder Raketen. Erst am Vormittag ist wieder eine eingeschlagen.
Die israelischen Behörden haben die verbliebenen Einwohner deshalb aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Einer von ihnen ist Yossi Edri.
"Die Kinder schlafen nicht"
"Es ist nicht einfach hier. Die Kinder sind traumatisiert. Sie schlafen nicht", klagt Edri. Edri steigt mit seiner Tochter auf dem Arm in einen der bereitstehenden Busse. Sie sollen die Menschen aus Sderot in Hotels in andere Teile des Landes bringen. Die Kosten übernimmt der Staat. Es ist ein Angebot der Behörden, niemand muss sein Zuhause verlassen.
Shimrit hat sich dafür entschieden. Sie hat einen kleinen Rollkoffer in der Hand und einen Rucksack geschultert. Ihre Tochter hat einen Stoff-Affen im Arm. "Wir machen das seit einigen Jahren durch. Meine Kinder kennen es nicht anders. Aber so machen wir weiter."
Warum die Menschen aus Sderot fliehen, wird schnell klar: Wieder gibt es Raketenalarm. Hier in der Nähe des Gazastreifens haben die Menschen nur wenige Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Dieses Mal macht eine Abfangrakete das Geschoss der Hamas unschädlich.
Seit fünf Tagen kein sauberes Wasser
30 Kilometer südwestlich von Sderot - zurück in Chan Yunis. Vor einer Moschee hat sich eine Schlange gebildet. Die Menschen stehen mit Kanistern an für sauberes Wasser - so wie Eyad Aqel. "Ich bin hierhergekommen, um mir sauberes Wasser abzufüllen. Denn in meinem Haus gibt es seit fünf Tagen kein Wasser mehr."
Für ihn gibt es etwas Hoffnung. Nach Angaben der US-Regierung hat Israel die Wasserversorgung im Süden des Gazastreifens wiederhergestellt. Die Leitungen seien wieder offen.