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Eklat im Weißen Haus "Selenskyj lief Vance ins Messer"
Europa muss in der Außen- und Verteidigungspolitik laut Militärexperte Gressel eine Wende gegenüber den USA vollziehen. Auf Trump sei kein Verlass mehr, der US-Präsident werde von seinem Umfeld in Putins Arme getrieben.
Der Militärexperte Gustav Gressel fordert einen Schwenk der europäischen Politik in den Beziehungen zur neuen US-Führung unter Präsident Donald Trump und seinem Vize JD Vance. Der Fachmann der Landesverteidigungsakademie Wien sagte tagesschau24: "Wir müssen uns umstellen darauf, Europa ohne die USA zu verteidigen. Wir müssen uns umstellen darauf, die Ukraine weiter zu unterstützen, ohne die Vereinigten Staaten."
In einer beispiellosen Pressekonferenz im Weißen Haus waren Trump, Selenskyi und Vance am Freitag in ein Wortgefecht geraten, das Treffen wurde daraufhin vorzeitig abgebrochen und Selenskyj aufgefordert, den Sitz des US-Präsidenten zu verlassen. Dieser Bruch wirke nach Gressels Einschätzung aus ukrainischer Sicht "enorm schwer". Für den Experten jedoch keine Überraschung: "Nur leider hat er sich schon einige Zeit abgezeichnet."
Welche Rolle spielt JD Vance in der Eskalation?
Der ukrainische Präsident habe versucht, "Trump zu erklären, dass ein Waffenstillstand, der nur auf Treu und Glauben basiert, nicht halten wird", sagte Gressel. Mehr als 20 mit Russland vereinbarte Waffenruhen seien bereits gescheitert. Trump irre, wenn er glaube, dass ein von ihm ausgehandelter Waffenstillstand standhalte und Russlands Präsident Wladimir Putin "den automatisch respektieren" werde.
Eine besondere Rolle komme laut Gressel auch US-Vizepräsident Vance zu: In der Debatte um einen Waffenstillstand habe Selenskyj versucht "dagegenzuhalten und lief hier dann Vance ins Messer und dann kam es zum Eklat", so Gressel. Der Experte erkennt bei Vance "Pläne, Russland auf die Seite der USA gegen China zu ziehen, was zwar eine Illusion ist, aber eine Illusion, die jetzt Politik bestimmend in den USA ist". Dagegen sei die Ukraine quasi machtlos. Trump habe sich von Putin "in seinem Telefonat gut einkochen lassen".
Europa muss auf US-Annährung zu Russland hart reagieren
Mit Blick auf ein mögliches Treffen zwischen Trump und Putin sagte Gressel, dabei gehe es zunächst vor allem um "bilaterale Annäherungen". Am Freitag sei es nicht nur zum Eklat im Weißen Haus gekommen, der russische Botschafter sei auch nach Washington zurückgekehrt. Russland sei vor allem an einer Aufhebung der Sanktionen interessiert - auch um für die Kriegswirtschaft wichtige Teile aus den USA beziehen zu können.
Um das zu verhindern, müsse Europa den USA klarmachen, das man mit "exterritorial anwendbaren Sanktionen gegen amerikanische Unternehmen" reagieren könne, forderte Gressel. Neben Schmeicheleien reagiere Trump vor allem auf Härte und Druck. "Er weicht immer gegenüber dem Stärkeren aus und versucht, sich an den Schwächeren zu vergreifen." Die europäische Strategie müsse jetzt sein, "nicht zu den Schwächeren zu gehören".
USA an eigene Verpflichtungen erinnern
Europa müsse seine militärische Qualität massiv verbessern, denn "in der Quantität werden wir Russland nicht ausbooten", so Gressel. Außerdem müsse der Druck auf die USA aufgebaut werden, von bisherigen Zusagen nicht abzurücken. Dazu gehöre beispielsweise das Satellitensystem Starlink aus den USA. Europa, vor allem Polen, würden dafür bezahlen - eine Abschaltung der Terminals in der Ukraine wäre eine Vertragsverletzung.