Habeck in Griechenland Zu Besuch beim kleinen Wirtschaftswunder
In Griechenland wird Wirtschaftsminister Habeck mit neuen Realitäten konfrontiert. Das einstige Sorgenkind der EU kann gute Wachstumszahlen präsentieren - und zeigt das den schwächelnden Deutschen nun allzu gerne.
Kyriakos Mitsotakis platzt fast vor Stolz. Der Ministerpräsident von Griechenland sitzt in einem fensterlosen Konferenzzimmer an einem langen, großen Tisch. Direkt gegenüber hat gerade Robert Habeck Platz genommen. Und der deutsche Wirtschaftsminister bekommt nun ausführlich zu hören, wie gut es den Griechen denn gerade so geht.
"Wir haben das zweitgrößte Wirtschaftswachstum in der gesamten EU, direkt hinter Polen", erzählt Mitsotakis fröhlich. Außerdem sei der Haushalt der Regierung ausgeglichen, in Sachen Geld herrsche inzwischen eisige Ausgabendisziplin. Die Griechen haben ihre Hausaufgaben gemacht und zeigen das den Deutschen nun allzu gerne.
Von solchen Wachstumsraten kann Habeck nur träumen
"Herzlichen Glückwunsch zu den tollen Wirtschaftszahlen", sagt Habeck kurz und knapp. Seine eigenen Zahlen erwähnt er dabei erstmal nicht. Denn der deutschen Wirtschaft geht es gerade eher nicht so gut. Von den griechischen Wachstumsraten kann Habeck nur träumen. Vorbei sind die Zeiten, als die deutsche Regierung das kleine Griechenland noch belehren konnte, wie man ordentlich wirtschaftet und mit seinem Geld umgeht.
Allerdings sind Wachstumsraten nicht alles: Habeck hört bei seinem Besuch auch, dass vor allem Lebensmittel erheblich teurer geworden sind. Und wegen der gestiegenen Fährpreise konnten sich viele Griechen in diesem Sommer den Urlaub im eigenen Land nicht mehr leisten.
Deutschland ist als Partnerland hochwillkommen
Dabei ist die Dienstreise nach Thessaloniki für Habeck eigentlich eine angenehme Aufgabe. Deutschland ist als Partnerland der größten Wirtschaftsmesse im Land hochwillkommen. Und die deutsche Wirtschaft präsentiert sich gern: Mehr als 130 Aussteller aus der Bundesrepublik sind in der Halle versammelt - vom kleinen Startup bis hin zum großen Bayer-Konzern.
Für Habeck sind die schwierigen Themen aus der Heimat hier erstmal ganz weit weg. Die Schwäche der deutschen Wirtschaft? Haushaltskrise? Drohende Werkschließungen bei VW? Alles nichts, was Habeck hier an große Glocke hängt. Der Vize-Kanzler spricht in Thessaloniki lieber über Wirtschaftschancen im Ausland. Griechische Unternehmen könnten ja helfen, die deutsche Wirtschaft zu stärken. Da unterstütze man sich gegenseitig. Die Zeiten, in denen man mit dem Finger aufeinander gezeigt habe, seien inzwischen ja auch endgültig vorbei.
Gespräche über künftige Energieversorgung
Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland so gut wie lange nicht mehr. Nach einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung haben heute wieder genau so viele Griechen ein positives Deutschland-Bild wie vor der Finanzkrise.
Robert Habeck nutzt das Wochenende in Thessaloniki aber auch, um Gespräche über die künftige Energieversorgung Westeuropas zu führen. Deutschland und Griechenland haben ähnliche Ziele und Zeitvorgaben beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Für den Strom- und Wasserstoffmarkt der Zukunft könnte Griechenland eine Schlüsselrolle übernehmen: Das Land ist reich gesegnet mit Sonne und Wind, auch eine projektierte Wasserstoff-Pipeline aus dem arabischen Raum könnte einmal über Griechenland nach Westeuropa führen.
Wenn der Bundeswirtschaftsminister über riesige Solarparks und projektierte Pipelines spricht, über Milliarden-Investitionen und die Energienetze der Zukunft, dann ist er ganz in seiner Lieblingsrolle: Es präsentiert sich gern als Vordenker für die Transformation hin zur Klimaneutralität.
Haushaltswoche steht bevor
Dass er bei seinem Griechenland-Besuch so überaus freundlich aufgenommen wird, kann Habeck sichtbar genießen. Zu Hause in Berlin wartet schon ein altes Leidensthema auf ihn. Dort rüsten sich auch die anderen Kabinettsmitglieder bereits für die bevorstehende Haushaltswoche im Bundestag. Der Etat für das kommende Jahr ist unter maximalen Geburtswehen entstanden.
Bei der parlamentarischen Beratung wird sich zeigen, ob er zur Sollbruchstelle der Ampelkoalition wird. "Die Koalition arbeitet schnell und vertrauensvoll zusammen", bemüht sich Habeck alle Zweifel über den Durchhaltewillen der Ampel-Partner zu zerstreuen.
Im warmen Thessaloniki zeigt sich Habeck also kämpferisch. In der kommenden Woche könne die Koalition ja jetzt mal zeigen, wie gut sie zusammen arbeite.