Italien Gegenwind für Meloni
Lange schien Italiens Ministerpräsidentin Meloni fest im Sattel zu sitzen. Doch nun regt sich immer heftigerer Widerstand, vor allem gegen ihre Regionalreform. Und auch aus Brüssel gibt es Gegenwind.
In vielen Städten Italiens stehen in diesen Tagen Menschentrauben an Tischen, um sich in Listen gegen die Regionalreform einzutragen. Auch online kann abgestimmt werden.
Influencerin und Aktivistin Flavia Carlini rührt in den sozialen Medien die Werbetrommel: Schritt für Schritt erklärt sie den Usern, über welchen Link sie das geplante Referendum unterstützen können, damit das Autonomiegesetz der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni aufgehoben wird.
Geeintes Auftreten der Opposition
Ende Juni hatte die Regierung eine Reform beschlossen, die den Regionen mehr Autonomie geben soll. Doch der Widerstand ist groß, für eine Volksabstimmung zur Aufhebung der Reform sind die nötigen 500.000 Stimmen inzwischen zusammengekommen.
Zum ersten Mal tritt die Opposition geeint auf. Die Sozialdemokraten kämpfen Seite an Seite mit der extrem linken Alleanza Verdi Sinistra, den Fünf Sternen bis hin zu den kleinen Parteien der Mitte wie Più Europa. Dazu kommen Gewerkschaften und Initiativen wie die Umweltschutzorganisation WWF.
Die Reform sei falsch, so Elly Schlein, Chefin des sozialdemokratischen PD: "Die differenzierte Autonomie von Meloni spaltet das Land, sie verstärkt die Ungleichheiten, unter der der Süden und das Landesinnere bereits jetzt schon zu viel leiden."
Reform gibt Regionen mehr Verantwortung
Künftig sollen die einzelnen Regionen mehr Verantwortung in einigen Politikbereichen bekommen, zum Beispiel in der Schulpolitik, der Verkehrsplanung, der Gesundheits- oder der Industriepolitik. Doch Schlein sieht darin auch für den Norden eine unsinnige Reform.
Sie könne dazu führen, dass es 20 verschiedene Energiepolitiken gebe. Stattdessen, so betont die 39-Jährige, bräuchte man doch nur eine einzige europäische, um die Kosten für die Unternehmen und die Familien zu senken.
Am größten ist die Furcht, dass die Kluft zwischen Nord und Süd noch größer wird. Die rechte Lega, die als norditalienische Regionalpartei entstanden ist, drückte die Reform durch die Regierung und das Parlament. Sie hat besonders die Interessen des Nordens im Blick - des Landesteils, in dem das Herz der Wirtschaft schlägt. Der Süden ist schon jetzt abgehängt, viele wandern in den Norden ab, um dort Arbeit zu finden.
Roberto Occhiuto ist Regionalpräsident der südlichen Region Kalabrien und stellvertretender Vorsitzender der Regierungspartei Forza Italia. Offen macht er im Sender Sky tg24 Stimmung gegen die Reform: "Ich würde der Regierung vorschlagen, dass sie über einen Aufschub der Reform nachdenkt." Damit bringt nicht nur die Opposition, sondern sogar der eigene Koalitionspartner Meloni unter Druck.
Attacke auf Presse
Auch auf internationalem Parkett bläst der Gegenwind schärfer. Vor kurzem rügte die Europäische Kommission Italien wegen Mängeln bei der Pressefreiheit. Die Kritik wollte Meloni nicht auf sich sitzen lassen. In einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies sie die Rüge als haltlos zurück. Die EU sei Fake News aufgesessen.
Gegenüber Journalisten erklärt die italienische Ministerpräsidentin während ihrer vor kurzem beendeten Reise nach China, dass die Kritik nicht von der EU-Kommission selbst käme und spricht von Instrumentalisierung.
Vielmehr "berichtet die Europäische Kommission über kritische Akzente einiger - sagen wir mal - Interessenvertreter", meint Meloni. Dann nennt sie die Namen dreier Tageszeitungen - Domani, Il Fatto Quotidiano, La Repubblica - und attackiert sie offen, indem sie diese als Interessenvertreter bezeichnet, nicht als Medien.
Obwohl die Pressefreiheit in der Verfassung verankert ist und obwohl Meloni Regierungschefin ist. Die Politikerin, die sich bisher als unbesiegbar darstellte, scheint unter großem Druck zu sein.