Treffen in Brüssel Länderchefs nehmen die EU in die Pflicht
Erstmals seit 2018 tagen wieder die Ministerpräsidenten in Brüssel: Sie sehen Handlungsbedarf bei der EU-Kommission. Die Länderchefs treibt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie um, sondern auch die Migrationspolitik.
Nein, die Angst vor der wachsenden Wolfspopulation ist offensichtlich nicht die größte Sorge, die Deutschlands Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten umtreibt in diesen Zeiten der Zeitenwenden. Auch wenn sie das aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes vielleicht tun sollten.
Eine kleine Gruppe von Landwirten und Schafzüchter hatte sich in Brüssel mit Plakaten vor der niedersächsischen Landesvertretung postiert, um genau darauf aufmerksam zu machen: Sie sehen Probleme durch immer mehr Wölfe in freier Wildbahn.
Der Artenschutz für den Wolf müsse europaweit gelockert werden, forderte sie. "Es muss jetzt konkret diese Herabstufung erfolgen im Schutzstatus. So dass dann die Mitgliedsstaaten legales Recht schaffen können für eine normale Bejagung von zu vielen Wölfen", sagte Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband.
Weil mahnt "klugen Weg" in der Klimapolitik an
Er und seine Kolleginnen und Kollegen überreichten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Positionspapier dazu. Für sie und die Ministerpräsidenten war die Sache mit den Wölfen damit offiziell abgehakt. Andere Sorgen sind in diesen Zeitenwende-Zeiten offenbar weit größer. Für den niedersächsischen Ministerpräsident Stephan Weil, im Moment Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz, gehört dazu entscheidend die Frage, wie Europa die Klimaneutralität erreicht.
"Wir müssen miteinander wirklich darum ringen, einen klugen Weg zu finden, wie wir es schaffen, am Ende die Klimaneutralität herbeigeführt zu haben und insbesondere im wirtschaftlichen Sektor dabei deutsche und europäische Stärken zu bewahren", sagte er.
Gespenst der De-Industrialisierung
Man weiß: An Europa, an der Europäischen Union, kommt niemand vorbei. Deshalb wird es nicht nur Gespräche mit der Kommissionspräsidentin geben, sondern am Donnerstag auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der gesamten Kommission.
Weil und seinem Amtskollegen Henrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen geht es vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, die sie durch gestiegene und zum Teil weiter steigende Energiepreise bedroht sehen. Sie wollen eine Subventionierung der Strompreise für große Unternehmen erreichen - besonders für jene in der Stahlbranche oder der Chemie. Ansonsten drohe Deutschland die De-Industrialisierung, heißt es.
Wüst: Schlüssel liegt in Europa
Vor diesem Hintergrund dürfe der europäische Green Deal auch niemanden überfordern. Unternehmen nicht, Bürgerinnen und Bürger aber auch nicht. Und noch etwas brennt den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unter den Nägeln: Die weiter wachsende Zahl von Menschen, die nach Europa wollen, um dort Schutz zu suchen oder schlicht ein besseres Leben.
Deutschland laufe Gefahr, davon überfordert zu werden, das zeige sich in den Städten, Gemeinden und Landkreise. Die Migrationspolitik sei natürlich eine besondere Herausforderung für Deutschland, sagte NRW-Landeschef Wüst. Die entscheidende Schlüssel dafür liege hier in Europa.
Die Ministerpräsidentenkonferenz will einstimmig eine "Brüsseler-Erklärung" auf den Weg bringen, um der Kommission die Interessen und Sorgen der deutschen Bundesländer klar zu machen.
"Stärkste Umbruchphase seit 80 Jahren"
Auf die konkreten Forderungen ging Kommissionspräsidentin von der Leyen nicht ein. Sie betonte aber, dass man sich den Herausforderungen der Regionen in den Mitgliedsstaaten sehr bewusst sei. "Europa ist nur so stark wie seine Regionen sind", sagte sie.
Deshalb sei Europa auch nur so stark wie es die Bundesländer seien und wie die Wirtschaft in den dortigen Regionen. "Und in der Tat: Europa ist in der stärksten Umbruchphase seiner Geschichte seit 80 Jahren. Und es gilt jetzt, die richtigen Weichen gemeinsam zu stellen."
Ein subventionierter Industriestrompreis könnte eine dieser Weichen sein. Die Frage eines Journalisten allerdings, ob denn eine solche Strompreisbremse mit den Regeln des europäischen Binnenmarktes vereinbar sei, ließ von der Leyen unbeantwortet - durchaus vielsagend.