Polens Regierung uneins Abtreibungsrecht lockern - aber wie?
Das Abtreibungsrecht in Polen gilt als außerordentlich streng. Die neue Regierung von Ministerpräsident Tusk versprach eine Liberalisierung. Doch wie weit diese gehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit.
"Jede polnische Frau wird selbst über ihre Mutterschaft entscheiden können. Die polnischen Frauen werden ihre Würde und ihr Glück wiedererlangen!" So sagte es Donald Tusk im September im Wahlkampf.
Fünf Monate später ist Tusk polnischer Ministerpräsident. Seine Regierungskoalition stürzt sich von einem Vorhaben ins nächste, um nach der nationalpopulistischen PiS-Partei das Land im Schnelldurchlauf zu reformieren. Sie tut das oft halsbrecherisch und rechtlich unsicher, aber zumindest nach außen entschlossen - und geschlossen.
Nur beim Recht auf Schwangerschaftsabbrüche wirkt Tusk heute deutlich stiller als im Wahlkampf: "Die Bürgerplattform legt einen Gesetzentwurf vor, der das Recht auf sichere Abtreibung bis zur 12. Woche enthält. Wird es dafür eine Sejm-Mehrheit geben? Holownia und Kosiniak-Kamysz haben nicht verheimlicht, dass sie in dieser Frage anderer Meinung sind." Szymon Holownia und Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sind wichtige Koalitionäre - und die Liberalisierung des Abtreibungsrechts ist das erste Thema, das den Zusammenhalt der Koalition wirklich auf die Probe stellt.
Drei Koalitionäre, vier Gesetzentwürfe?
Tusks Büdnis, die Bürgerkoalition, schlug Ende Januar per Gesetzentwurf die Legalisierung von Abbrüchen bis zur 12. Schwangerschaftswoche vor. Die Neue Linke fordert dasselbe mit einem eigenen Entwurf.
Die dritte Kraft in der Koalition, das Bündnis "Dritter Weg", eben von Holownia und Kosiniak-Kamysz, ist deutlich konservativer und will zurück zur alten, auch schon sehr strengen Regel vor der Verschärfung durch die PiS. Abbrüche wären also nur nach einem Verbrechen oder Gefahr für Schwangere und Fötus legal. Überhaupt soll am besten ein Referendum entscheiden. Die Linke wiederum schlägt als Ausweichvariante für den Fall, dass die Legalisierung scheitert, zumindest die Strafbefreiung vor - ähnlich wie in Deutschland.
Drei Koalitionäre, absehbar vier Gesetzentwürfe. Und die Mehrheit sei unsicher, sagt der Ministerpräsident: "Da ich die Herren nicht vom Projekt 'legale Abtreibung bis zur 12. Woche' überzeugt habe, werden wir uns bemühen, es im Sejm zu entscheiden. Wird es eine Stimmenmehrheit dafür geben? Wenn der Dritte Weg seine Meinung nicht ändert, wohl nicht."
Ärzte handeln oft nicht
Tatsachen schafft bisher nur die Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna. Weil selbst in den wenigen Fällen, in denen in Polen Abtreibungen legal möglich wären, Ärzte oft nicht handeln - aus Unwillen oder Angst vor Strafe - sind in den vergangenen Jahren mehrere Frauen quasi unter ärztlicher Aufsicht gestorben. Leszczyna lässt jetzt die Richtlinien für Medizinerinnen und Mediziner ändern, orientiert an denen der Weltgesundheitsorganisation und im Zweifel auf Konfliktkurs mit konservativen Ärzten.
"Wir müssen die Ärzte daran erinnern, dass sie einen medizinischen Eingriff ablehnen können, aber nie, wenn Leben oder Gesundheit der Patientin gefährdet sind", sagt die Gesundheitsministerin. "Bei Gefahr, darf sich kein Arzt auf die Gewissensklausel berufen."
Abtreibung war zentrales Wahlkampfthema
Es ist ein Schritt, aber er wird kaum reichen, um die vielen Polinnen und Polen zufriedenzustellen, die seit Jahren bei Massenprotesten ein Recht auf Abtreibung fordern und die das Thema zu einer zentralen Frage der Wahl gemacht haben.
Frühestens im März soll der Sejm über die vielen verschiedenen Gesetzentwürfe verhandeln. Sollte sich die neue Regierungskoalition um Donald Tusk dabei nicht einigen, dürfte sie schon kurz nach dem Start schlagartig und massiv in der Beliebtheit absacken.