Die polnische Opposition Gespalten, doch nicht ohne Chancen
Die polnische Regierungspartei PiS führt zwar in den Umfragen. Doch die liberale Opposition könnte sich bei den Wahlen am Sonntag durchaus Hoffnung auf einen Sieg machen - wenn sie denn geeint wäre.
Donald Tusk steht auf der Bühne. Vor sich hunderttausende Menschen mit polnischen und EU-Flaggen. "Diese Kraft wird nichts mehr aufhalten", ruft er. "Dieser Koloss ist erwacht. Die dort oben, die Regierenden sollten sich keine Illusionen machen. Die Änderung zum Guten ist unabwendbar."
Tusk ist die zentrale Figur der liberalen polnischen Opposition. Gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien hatte sein Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) Anfang Oktober zur größten Demonstration der Warschauer Stadtgeschichte aufgerufen.
Nur die rechtsextreme Konfederacja war nicht dabei. Aber auch sie würde dem zustimmen, was unter den Teilnehmern der Demonstration Konsens war: dass die Regierungspartei PiS weg muss.
Opposition nicht geeint
Doch darüber hinaus ist der beschworene Oppositionskoloss lange nicht so geeint, wie Tusk es sich wünscht. Als er vor zwei Jahren von seinem Posten als EU-Ratspräsident zurückkam, wurde er als Retter der polnischen Opposition gefeiert.
Seine Partei lag in Trümmern, aber Tusk versprach mit Pathos, die PiS zu besiegen. Zusammen, so sagte er damals, hätten die liberalen und linken Oppositionsparteien eine Mehrheit im Land - mit ihm an der Spitze, versteht sich.
Genau wie PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski ist Tusk seit den späten 1980er-Jahren in der polnischen Politik aktiv. Von 2007 bis 2014 war er Premierminister und stand für eine neoliberale Wirtschaftspolitik. Die hat Polen zwar Wachstum beschert, den neuen Wohlstand aber nicht verteilt. Bis heute gilt Tusk deshalb vielen Menschen in Polen als abgehoben und elitär.
Linke, Grüne, Konservative
Mit einem neuen, linkeren Programm, in dem jetzt beispielsweise auch die Liberalisierung des Abtreibungsrechts vorgesehen ist, konnte er einige Parteien, wie etwa die polnischen Grünen, von einem Bündnis überzeugen.
Andere aber treten lieber ohne Tusk an, vor allem das konservativ-liberale Wahlbündnis "Trzecia Droga", zu deutsch "Der dritte Weg", und die Partei "Nowa Lewica", die "Neue Linke". Letztere positioniert sich programmatisch am deutlichsten gegen die PiS.
Beim Wahlkampfabschluss erklärte die Co-Vorsitzende Joanna Scheuring-Wielgus: "Wir träumen davon, dass Frauen gleichberechtigt sind, dass sie sich in Polen sicher fühlen, dass unsere Kinder in der Schule praktische Sachen und keine Ideologie erlernen."
Hoffnung auf Koalition?
Schaffen es alle drei Blöcke - Tusks Bürgerkoalition, die "Neue Linke" und "Der dritte Weg" - ins Parlament, dann kann sich Tusk Hoffnung auf eine Koalition machen. Gerade "Der dritte Weg" läuft aber Gefahr, an der Acht-Prozent-Hürde für Wahlbündnisse zu scheitern.
Dann favorisiert das polnische Wahlsystem die stärkste Partei - laut Wahlumfragen ist das die PiS. Eine erneute absolute Mehrheit der PiS wäre dann nicht ausgeschlossen.