Streit um Tagebau Turow EuGH verurteilt Polen zu 500.000 Euro täglich
Der Europäische Gerichtshof hat Polen wegen des Abbaus von Braunkohle im Tagebau Turow zu einer Geldstrafe von täglich 500.000 Euro verurteilt. Bereits im Mai hatte der EuGH Polen aufgefordert, den Abbau an der Grenze zu Sachsen zu stoppen.
Im Streit um den polnischen Braunkohle-Abbau Turow an der Grenze zu Sachsen und Tschechien hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Polen zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es in einer Anordnung von EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Es sei "eindeutig, dass Polen der einstweiligen Anordnung nicht nachgekommen ist", hieß es weiter. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500.000 Euro Strafe in den EU-Haushalt zahlen.
Die polnische Regierung machte jedoch sogleich deutlich, dass sie den Tagebau nicht schließen werde. Turow sei ein wichtiger Arbeitgeber in der Region und wichtig für die Stromproduktion. Der stellvertretende Justizminister, Marcin Romanowski, twitterte: "Sie werden keinen Cent bekommen."
Entscheidung über Antrag aus Tschechien
Die Entscheidung geht auf einen Antrag des Nachbarlandes Tschechien zurück, das zuvor schon beim EuGH gegen Polen geklagt hatte. Das Land bemängelt, dass die Lizenz für den Tagebau ohne erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfungen verlängert worden sei. Das polnische Umweltministerium hatte die Betriebserlaubnis für den Tagebau im März 2020 um sechs Jahre verlängert. Die EU-Kommission kritisierte im Dezember, Polen habe die Umweltfolgen unterschätzt und seine Nachbarn falsch informiert.
Die Regierung in Prag befürchtet außerdem, dass der Grundwasserspiegel sinkt. Auch beklagten sich Bewohnerinnen und Bewohner der angrenzenden tschechischen Grenzregion über Belästigungen durch Lärm und Staub.
Tschechien beantragte fünf Millionen Euro Strafe
Die einstweilige Anordnung des EuGH im Mai folgte diesen Argumenten. Die polnische Regierung hielt jedoch an dem Kohle-Abbau fest. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki begründete dies damit, dass die Energiesicherheit des Landes gewährleistet werden müsse. Tschechien beantragte deshalb im Juni eine Geldstrafe in Höhe von fünf Millionen Euro täglich an den EU-Haushalt. Polen wiederum beantragte, die einstweilige Anordnung vom Mai aufzuheben.
Den polnischen Antrag wies die EuGH-Vizepräsidentin nun zurück. Zugleich verhängte sie eine Geldstrafe in Höhe von 500.000 Euro bis Polen der einstweiligen Anordnung folgt. Ein endgültiges Urteil in dem Fall wird der EuGH zu einem späteren Zeitpunkt fällen.
Polen will Tagebau nicht schließen
Der Sprecher der polnischen Regierung, Piotr Müller, sagte nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP, die Regierung werde den Tagebau Turow nicht schließen. Die Geldstrafe stehe in keinem Verhältnis zur Situation und sei nicht gerechtfertigt.
Der polnische Minister für Klima und Umwelt, Michal Kurtyka, verwies auf sehr intensive Gespräche über eine Lösung mit Tschechien. Beobachter in Prag rechnen indes nicht mehr mit einer Einigung vor der Parlamentswahl Anfang Oktober und der Bildung einer neuen Regierung. Der tschechische Umweltminister Richard Brabec würdigte die Verhängung des Zwangsgelds als Motivation für Polen, die Kohleförderung in Turow zu stoppen.
Tagebau soll erweitert werden
Auch in Deutschland sorgt der Tagebau für Kritik. Sachsen befürchtet Umweltschäden durch eine Erweiterung. Im März war diskutiert worden, ob die Bundesregierung sich deshalb als sogenannter Streithelfer der Klage Tschechiens anschließt.
In Turow wird seit 1904 Kohle abgebaut. Der polnische Energiekonzern PGE, mehrheitlich im Staatsbesitz, will den Abbau bis 2044 verlängern. Dafür soll der Tagebau um fünf Quadratkilometer erweitert und auf bis zu 330 Meter vertieft werden.