Ukraine-Vertreter enttäuscht Unverständnis nach Merkel-Auftritt
Die frühere Kanzlerin Merkel hat sich das erste Mal zu ihrer früheren Russland-Politik geäußert - wenig selbstkritisch, wie Kritiker bemerkten. Auch bei Vertretern der Ukraine kam der Auftritt nicht gut an.
Nach dem Auftritt der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin hat sich die ukrainische Regierung wenig überzeugt von den Erläuterungen zu ihrer früheren Russland-Politik gezeigt. Es sei weiter nicht verständlich, warum Merkel den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 unterstützt habe, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak bei Twitter. Podoljak stellte dabei die Frage: "Wenn Kanzlerin Merkel immer gewusst hat, dass Russland einen Krieg plant und die EU zerstören will - warum dann die Pipeline Nord Stream 2 bauen?".
Tatsächlich hatte Merkel bei ihrem Auftritt in Berlin eine solche Aussage getroffen. Die Bundeskanzlerin a.D. hatte sich bei dem Termin zum ersten Mal seit dem Ende ihrer Amtszeit im Dezember ausführlich öffentlich zu ihrer Russland-Politik geäußert. Sie verurteilte dabei erneut den russischen Einmarsch in der Ukraine - lehnte aber eine Entschuldigung für ihre Russland-Politik ab.
Melnyk: "Habe viel mehr erwartet"
Auch der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, zeigte sich nach Merkels Auftritt enttäuscht. Er sagte, er habe von Merkel viel mehr konkrete Antworten erwartet. "Denn, wenn das alles so blendend gelaufen sein soll und gar keine Fehler begangen wurden, dann ist die Frage, wieso wir seit 105 Tagen mit diesem Angriffskrieg zu tun haben", sagte er den Sendern "RTL" und "ntv". Es gebe aus seiner Sicht "immer noch viele offene Fragen".
Melnyk begrüßte grundsätzlich, dass Merkel öffentlich zu ihrer Russland-Politik Stellung bezogen hat. Es brauche eine "Aufarbeitung der Russland-Politik" sowie eine "offene Diskussion in der Gesellschaft in Deutschland" darüber, sagte er.
CDU uneins über Merkels Russland-Politik
Merkel hatte in ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft immer auf einen Dialog mit Moskau gesetzt sowie auf eine enge wirtschaftliche Partnerschaft. Auch in ihrer Partei wird dieser Kurs mittlerweile hinterfragt. Der neue CDU-Chef und langjährige Merkel-Kritiker Friedrich Merz hat von einem "Scherbenhaufen" für die ganze deutsche Außen- und Sicherheitspolitik der vergangenen 20 Jahre gesprochen und eine Aufarbeitung auch in seiner Partei angekündigt.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn verteidigte die Russland-Politik Merkels dagegen. Er sagte, Merkel habe sich " nie einer Illusion hingegeben" - anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder, "der hat sich dem System verkauft".