Rumänien und Moldau Warten aufs ukrainische Getreide
Die Donauhäfen Galati in Rumänien und Giurgulesti in der Republik Moldau wollen schon bald ukrainisches Getreide und Sonnenblumenöl verschiffen - angeliefert mit Bahn und Lkw. Doch noch läuft es logistisch nicht rund.
Die Donau im rumänischen Galati ähnelt in diesen Tagen einem Schiffsparkplatz. Am Rand der Fahrrinne sammeln sich leere Frachtkähne und warten darauf, mit Getreide aus der Ukraine beladen zu werden. Nahezu täglich kommen neue hinzu. Galati ist ein wichtiger Umschlagsplatz. Von der ukrainischen Hafenstadt Odessa hierhin sind es gerade mal 236 Kilometer Luftlinie, und von Galati aus erreichen die Flussschiffe am schnellsten den rumänischen Überseehafen in Constanta. Doch im Moment bleibt den Besatzungen der Kähne nichts anderes, als zu warten.
Auch Mihai Oprișan muss als technischer Leiter des Getreideterminals im Hafen warten - auf die Züge, die Getreide aus der Ukraine bringen sollen. Der alte Speicher aus dem 19. Jahrhundert, die Silos, das Eisenbahngleis mit unterschiedlichen Spurbreiten sind vorbereitet: Wenn die Züge kommen, dann können sie auf der breiten ukrainischen Spur direkt zum Silo im rumänischen Hafen fahren. Daneben gibt es aber noch eine schmalere Spur - "für den europäischen Standard", sagt Oprișan.
Dass noch kein Getreide geliefert wird, liegt für ihn an der ausufernden Bürokratie - vor allem beim Zoll. Er weiß auch, dass in seinem kleinen Terminal nie die Millionen Tonnen von Getreide umgeschlagen werden können wie in Odessa. "Der Hafen in Odessa sollte der Hauptplatz für den Transport sein. Aber das hier ist eine offene Tür. Die kann genutzt und muss genutzt werden", sagt er.
Ein Test für die Gleise
Dafür wollen sie alles versuchen, was möglich ist. Im Bahnhof von Galati startet darum eine Lokomotive Richtung Getreidesilos zur Testfahrt - ein letzter Check, ob die Gleise auch wirklich für die Ankunft vieler ukrainischer Züge geeignet sind. Die Lok ist mehr als 60 Jahre alt.
Die Rumänen haben den Ehrgeiz zu zeigen, dass sie das schaffen. "Dass wir jetzt auch der Ukraine mit dem Getreidetransit helfen können, soweit das möglich ist, das ist wirklich perfekt", freut sich der örtliche Chef des Frachtbetriebs bei der rumänischen Bahn, Vasile Manolache. Auch Lokführer Marian Drăgan sieht, dass es hier um mehr geht als um Transport: "So können wir den Druck, der derzeit in der Welt herrscht, etwas lindern, den Mangel an Lebensmitteln, den Hunger. Und ich denke, wir leisten hier gute Arbeit."
Sechs Jahrzehnte hat die Lokomotive im Hafen von Galati schon auf dem Buckel. Für den Abtransport von Getreide taugt sie nach wie vor.
Verschlossene Tore bremsen die Fahrt aus
Doch die Testfahrt läuft nicht rund: Bei der Einfahrt in den Hafen ist das Tor versperrt, niemand fühlt sich zuständig. Manolache schimpft über die Bürokratie und streitet mit einem Arbeiter über Formalitäten und Kompetenzen: "Ich bin's. Ich bin der Leiter des Regionalbüros Galati", ruft er ihm zu. "Haben Sie eine E-Mail geschickt?", fragt der Arbeiter zurück. Manolaches Antwort: "Die Kolleginnen im Büro haben sie geschickt." Es dauert dennoch rund 15 Minuten, bis der Schlüssel auftaucht, das Tor geöffnet wird und die Lok weiterfahren kann.
Für Vasile Manolache ist das letztlich ein Erfolg. "Der Test hat funktioniert: Wir sind an unserem Ziel angekommen", meint er. "Jetzt freuen wir uns auf die ersten Transporte, damit wir auch mit Waggons fahren." Nächste Woche, davon gehen sie in Galati aus, könnte es soweit sein.
Aber auch, wenn bald die Züge entladen werden können - in Galati muss noch viel getan werden. Viele Gleise sind marode. Seit Tagen arbeiten darum Bautrupps mit Presslufthämmern, Schaufeln und Spitzhake an der Erneuerung, reißen vermoderte Schwellen aus dem Boden und verlegen neue. Die verantwortliche Bahnmanagerin versichert: Man sei eigentlich fertig. Es handle sich nur noch um Restarbeiten.
Zwei Spurbreiten für ukrainische und für Züge aus dem übrigen Europa: Im Hafen von Galati ist jetzt die Frage, wann das Getreide kommt und ob die Gleise halten.
Umschlagplatz in Sichtweite zur Ukraine
Vorbereitet auf mehr Umschlag von Getreide und Sonneblumenöl aus der Ukraine sind sie auch in Giurgulesti. Der Hafen liegt in der Republik Moldau, keine 20 Kilometer von Galati entfernt, geographisch eingezwängt auf 430 Metern zwischen Rumänien und der Ukraine, denn so schmal ist der moldauische Zugang zur Donau. Neben den Verladeterminals verläuft direkt die ukrainische Grenze. Auf Wachtürmen sitzen Soldaten. Am Mast weht die ukrainische Fahne.
Wirtschaftlich ist Giurgulesti durchaus ein attraktiver Platz. Im Hafengelände wird gebaut. Die Betriebsfläche soll bald deutlich erweitert werden. Der deutsche Hafenchef Matthias von Tucher führt gerade Gäste aus der Ukraine übers Gelände - potentielle Investoren. Sie prüfen die Lage und ob es sich lohnen könnte, hier Getreidesilos zu errichten.
In Sichtweite zum Kriegsgebiet Ukraine ist das nicht ganz ohne Risiko. "Sollte es soweit kommen, dass die Russen dieses Gebiet besetzen, dann werden auch die ukrainischen (Donau-)Häfen aufhören zu arbeiten und dann steigt das Risiko schon. Und dann ist die Frage: Was hält Russland davon ab, diese 430 Meter noch weiter zu gehen bis an die rumänische Grenze?", sagt von Tucher.
Fünf Nächte in der Lkw-Schlange
Er betont die Chancen, sieht aber auch die Probleme und Hindernisse. Da seien vor allem die Schwächen der Verwaltung, die grassierende Korruption, die Vorschriften oder die Zollformalitäten. So müssen Züge oder auch Lastwagen auf dem Weg von der Ukraine durch die Republik Moldau nach Rumänien vier Zollstellen passieren: Aus der Ukraine heraus und hinein nach Moldau und dann ein paar hundert Meter weiter wieder aus Moldau heraus und hinein nach Rumänien.
Wozu das führt, lässt sich an der Transitstrecke durch Moldau beobachten. Die ist nicht mal einen Kilometer lang, aber Sinnbild für die Probleme: Die Straße ist zugeparkt von Lastwagen. Es geht nur im Schneckentempo voran. Viele Fahrer, die meisten aus der Ukraine, sind völlig genervt. Ein türkischer Fahrer deutet mit seinen Händen und zeigt den Kalender im Mobiltelefon: Fünf Nächte sei er schon hier - vermutlich dauere es noch einmal zwei Nächte, bis er in Rumänien ankommt.
Auch sie müssen jede Menge Geduld aufbringen: Auf dem Transit von der Ukraine durch die Republik Moldau in Richtung Rumänien stauen sich die Lkw mitunter über Tage.
Eine längere Reportage zum Thema sehen Sie auch im Europamagazin - am Sonntag um 12.45 Uhr im Ersten.