Russische Soldatinnen während einer Probe für die bevorstehende Militärparade am 9. Mai 2017

Krieg gegen die Ukraine Sucht Russland Frauen für die Front?

Stand: 25.10.2023 11:10 Uhr

In Russland soll ein Militärdienstleister im Internet Frauen für den Einsatz in der Ukraine anwerben - etwa als Scharfschützinnen. Gehen Russland die Männer aus, fragen die einen. Längst Praxis, meinen die anderen.

Blaue Uniformjacke, weißer Rock, schwarze Stiefel. Im Stechschritt marschieren Soldatinnen über den Roten Platz in Moskau. Vorbei an der Tribüne, auf der der russische Präsident Wladimir Putin umgeben von Veteranen sitzt. Seit 2016 ist das Frauenkontingent fester Bestandteil der großen Militärparade. Die meisten von ihnen arbeiten im Sanitätsbereich und in den Feldküchen, sie dienen als Funkerinnen und in der Verwaltung.

Längst aber gibt es auch - wie zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges - wieder andere Frauen: Die, die an der Front kämpfen. Auch im Krieg gegen die Ukraine. Eine von ihnen, Olga Katschura, wurde posthum von Putin ausgezeichnet - als "Heldin Russlands". "Sie war ein absolut mutiger Mensch. Ich würde sagen, eine Ikone für den Donbass, vor allem für die Volksrepublik Donezk", würdigte Putin Katschura.

Katschura hatte sich 2014 den Kämpfern der selbsternannten Volksrepublik angeschlossen. Sie nahm schon damals an blutigen Schlachten in der Ostukraine teil, in Debalzewe und Awdijiwka. Als erste Frau befehligte sie eine Gruppe in Bataillonsstärke. Nach ihrem Tod im vergangenen Jahr erschienen Dokumentationen. Das russische Staatsfernsehen würdigte sie als wahre Patriotin, als Vorbild.

Rekrutinnen "aus dem ganzen Land"

Inzwischen gebe es eine ganze Reihe junger Frauen, die sich freiwillig der Armee angeschlossen hätten, betonte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu Anfang des Monats. Einige habe er getroffen - auf einem Truppenübungsplatz, wo sie mit den Männern gemeinsam trainierten. "Die Mädchen kommen aus dem ganzen Land: aus Tula, aus Jalta, aus Krasnodar, aus Sibirien - von überall her. (… ) Ganz ehrlich, ich bin erstaunt, dass es so viele freiwillige Frauen gibt, die die Aufgaben nicht schlechter erfüllen als die Männer", sagte Schoigu.

Und die psychisch stabiler und belastbarer seien - darauf legt eine Kämpferin namens Natalja Nikonorowa, Kampfname "Walküre", im Interview mit "Pravda.ru" wert: Auch sie wollten ihren Teil zur Vaterlandsverteidigung leisten.

Screenshot einer russischen Rekrutierungsanzeige für Soldatinnen auf Telegram.

"Schließ einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium!" - Anzeigen wie diese, in denen offenbar Frauen für den Militäreinsatz angeworben werden sollen, kursieren in Telegram-Kanälen lokaler russischer Medien.

Angebliche Anzeigen im Internet

Folgt man dem Internetmedium "iStories", dann scheinen private Militärdienstleister, deren Bataillone dem Verteidigungsministerium unterstellt sind, genau darauf in ihren Anzeigen in den sozialen Medien abzuheben. Frauen, so zitiert das Medium, das in Russland als "unerwünscht" eingestuft wurde, eine Anwerberin, seien nicht nur dazu da, Suppe zu kochen und Kinder zu bekommen. Sie könnten mehr. Auch mehr, als nur Sanitätsdienste leisten - weshalb man eine Scharfschützinnen-Einheit und eine Drohnen-Pilotinnen-Einheit gründen wolle.

Finden lassen sich diese Anzeigen, in denen mit einem guten Gehalt, Ausbildung und einem Halbjahresvertrag geworben wird, nicht ohne weiteres. Vielleicht, weil sie nur gezielt gepostet werden. Vielleicht aber ist auch alles nur ein Fake.

Wie viele Frauen werden sich melden?

An sich, meint der Militärexperte Jurij Fedorow in der Youtube-Sendung "Breakfast Show", sei das alles nichts Neues. Scharfschützinnen habe es auch im Zweiten Weltkrieg bereits gegeben. Vorstellbar sei es durchaus, dass über solche Zusatzkontingente nachgedacht werde. "Das deutet natürlich auch darauf hin, dass es in manchen Bereichen nicht genügend Männer gibt. Schon jetzt wird jeder genommen, der genommen werden kann", sagt Fedorow.

Die Frage sei, wie viele Frauen tatsächlich bereit seien, an die Front zu gehen. Drohnen-Pilotinnen haben sich angeblich bereits ausreichend gemeldet. Offiziell kommentiert wird all dies bisher nicht.

Christina Nagel, ARD Moskau, tagesschau, 25.10.2023 10:15 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 25. Oktober 2023 um 10:35 Uhr.