Drohende Energiekrise Scholz setzt auf Solidarität
Zuerst in Norwegen - nun versucht Bundeskanzler Scholz auch in Schweden die Partnerschaft in Sachen Energie zu stärken. In der Krise müsse die gesamte EU zusammenstehen. Der Ukraine sicherte er weitere Waffenlieferungen zu.
Der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Norwegen und heute in Schweden war geprägt vom Leitthema Energie. Und der SPD-Politiker machte in Stockholm nochmals klar, wie die EU durch die drohende Krise kommt - gemeinsam und solidarisch.
"Es ist absolut notwendig, dass wir zusammenarbeiten", betonte Scholz nach seinem Treffen mit der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Immerhin: Deutschland produziere derzeit dringend benötigten Strom für EU-Nachbarländer durch Gasverstromung. Ein eindeutiges Signal, dass auch die Bundesrepublik - sollten die Gasvorräte knapp werden - auf Hilfe von den europäischen Nachbarn hofft.
EU-Staaten uneins über Gas-Notfallplan
Mit seinem Appell folgt Scholz klar der Linie der EU-Kommission. Auch sie mahnt Solidarität an: Nicht nur, dass alle EU-Länder deutlich an Energie einsparen sollen, sie sollen auch einander bei Versorgungsengpässen aushelfen. Doch nicht alle EU-Staaten gehen mit diesen Zielen konform. Widerstand kommt etwa aus Portugal, Spanien oder auch Polen.
Dass Deutschland so klar auf den sogenannten Gas-Notfallplan der EU-Kommission pocht, liegt vor allem an der eigenen Abhängigkeit vom russischen Gas. Von der will sich die Bundesregierung zwar nun schnellstmöglich befreien und wappnet sich für eine eventuell knappe Energieversorgung. So soll unter anderem ab Oktober eine Gasumlage helfen, dass Energiekonzerne eigene Mehrkosten ausgleichen können, wenn sie nun Gas zu höheren Preisen einkaufen müssen. Trotzdem bleibt die Sorge, dass es eng werden könnte mit der Ressource Gas. Gerade angesichts der stark gedrosselten Lieferungen aus Russland über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1.
Schweden plant längere AKW-Laufzeiten
Eine Option, über die sowohl Deutschland als auch Schweden nachdenken, um die eigene Energieversorgung zu sichern, sind längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Während die deutschen Meiler zunächst einem Stresstest unterzogen werden, um zu untersuchen, inwiefern sie länger am Netz bleiben sollten und können, geht Schwedens Ministerpräsidentin bereits einen Schritt weiter. Andersson setzt ihren eigenen Worten zufolge auf eine langfristige Nutzung von Atomstrom. Neue Kraftwerke sollen in Schweden aber nicht entstehen.
Doch Deutschland setzt auch auf Partnerschaften mit anderen Staaten. So hat die Bundesrepublik seit dem Beginn der russischen Angriffskriegs in der Ukraine seine Gas-Importe aus Norwegen deutlich gesteigert. Diese decken mittlerweile rund 30 Prozent des deutschen Energiebedarfs. Und in Zukunft will Deutschland gerade im Bereich der Erneuerbaren Energien noch enger mit Norwegen kooperieren, wie Scholz in Oslo ankündigte. Auch der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Store sicherte Deutschland zu, ein "stabiler" Lieferant zu bleiben, doch er betonte auch, dass die Grenzen bei den maximal möglichen Exporten in die Bundesrepublik mittlerweile erreicht seien.
Scholz hatte am Montag in Oslo an einem Gipfeltreffen der fünf nordeuropäischen Staaten Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und Island teilgenommen, um anschließend nach Stockholm weiterzureisen. Neben dem Kernpunkt Energie stand auch die weitere Unterstützung der Ukraine im Fokus des Gipfeltreffens.
Weitere Waffen für die Ukraine
Gemeinsam mit Schwedens Regierungschefin sicherte Scholz der Ukraine weitere Waffenlieferungen zu, die dem Land helfen sollten, die eigene territoriale Souveränität zu verteidigen. Konkrete Pläne zu möglichen weiteren Waffenlieferungen nannten Scholz und Andersson aber nicht. Andersson mahnte lediglich ein weiteres Mal eindringlich, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen dürfe. "Solange der Krieg andauert, müssen wir standhaft bleiben", betonte sie.
Scholz rechnet mit baldigem NATO-Beitritt
Mit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hatte in Schweden ein Umdenken eingesetzt, was eine Mitgliedschaft in der NATO betrifft. Mitte Mai hatte die schwedische Regierung ebenso wie Finnland beantragt, in das Verteidigungsbündnis aufgenommen zu werden. Bei seinem Besuch in Stockholm zeigte sich Scholz erneut zuversichtlich, dass beide Länder rasch in die NATO aufgenommen werden. Sieben der 30 Mitgliedsländer hätten die Aufnahme noch nicht ratifiziert. Der Kanzler drängte auf die baldige Zustimmung der betroffenen Staaten, allen voran der Türkei, die den Start des Aufnahmeprozesses lange blockiert hatte.
Kurz vor dem NATO-Gipfel im Juni hatte die Türkei ihren Widerstand schließlich aufgegeben und mit Schweden und Finnland ein Memorandum vereinbart. Darin enthalten ist die Forderung der Türkei, dass die Länder mehrere Personen ausliefern sollen. Die türkische Regierung spricht dabei größtenteils von "Terrorverdächtigen". In der vergangenen Woche stimmte die schwedische Regierung der ersten Auslieferung zu - dabei handelt es sich um einen 35-Jährigen, der in der Türkei wegen mehrfachen Kreditkartenbetrugs verurteilt worden war, wie ARD-Korrespondent Christian Blenker berichtet. Ihm drohen demnach 14 Jahre Haft in der Türkei.
Die Entscheidung Schwedens sorge vor allem in kurdischen Bevölkerungsteilen für Empörung, so Blenker weiter. Denn eine Verbindung des Mannes zu mutmaßlichen Terrororganisationen könne nicht nachgewiesen werden.