Drohnen im Ukraine-Krieg "Eine neue Ära der Kriegsführung"
Beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine spielen Drohnen eine wichtige Rolle - auf beiden Seiten. Noch nie zuvor wurden so viele in einem Konflikt eingesetzt. Kriegsentscheidend sind sie nach Ansicht von Experten aber nicht.
In dieser Woche hat Russland seine Drohnenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew verschärft - mutmaßlich eine Reaktion auf Attacken gegen russische Ziele, die der Ukraine zugeschrieben werden. Gleich zweimal innerhalb kurzer Zeit wurde etwa das prestigeträchtige Geschäftsviertel Moscow City getroffen.
Das zeuge von der Präzision und der verbesserten Reichweite von Drohnen aus ukrainischer Produktion, sagt Oleksy Melnyk, Co-Direktor der Kiewer Denkfabrik Razumkov. "Diese Gebäude stehen für Moskaus Reichtum und sie sind mitten in der russischen Hauptstadt. Die Angriffe sind also nicht zu verbergen."
Präsident Wolodymyr Selenskyjs Einlassung am Wochenende kam einer Bestätigung gleich: "Der Krieg kehrt allmählich auf das Territorium Russlands zurück - in seine symbolischen Zentren und Militärstützpunkte. Das ist unvermeidlich, und absolut gerecht."
Psychologische Kriegsführung
Die ukrainische Führung äußert sich selten und wenn, dann nicht eindeutig zu Angriffen auf russische Ziele. Andriy Yusov, Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, wurde Anfang der Woche jedoch deutlich: "Bis die Besatzer das ukrainische Staatsgebiet verlassen, bis die Verbrecher bestraft sind, wird es im Staat der Angreifer keinen sicheren Ort mehr geben." Sprich: Russland muss sich auf weitere Angriffe auf seinem Territorium gefasst machen.
Während die Attacke auf das Moscow City Centre der psychologischen Kriegsführung diente, richten sich die meisten Drohnenangriffe, die der Ukraine zugeschrieben werden, gegen militärisch wichtige Einrichtungen Russlands.
In diesem Krieg werden so viele Drohnen eingesetzt wie nie zuvor in einem Konflikt. Oleksy Melnyk spricht deshalb von einer "neuen Ära der Kriegsführung". Auch die Effektivität des Einsatzes zum Zweck von Aufklärung und Steuerung sei neu, meint der Militärfachmann.
Die Zukunft gehört der Drohne
In diesem Konflikt spielen vor allem kleinere Drohnen eine Rolle - auf beiden Seiten. Sie sind leicht zu beschaffen, leicht zu bedienen und kosten wenig. Außerdem sind sie vielseitig einsetzbar: zur Aufklärung und für Offensivoperationen und in großer Zahl schwer abzufangen.
Beide Kriegsparteien statten frei erhältliche unbemannte Flugkörper mit Sprengladungen aus, beide nutzen sogenannte Kamikazedrohnen. Und beide Seiten haben die Reichweite ihrer unbemannten Flugkörper erweitert.
Die Zukunft gehört der Drohne, ist sich Yegor Tschernev sicher, Vorsitzender des ukrainischen Verteidigungsausschusses: Schließlich könnten ein oder zwei Marinedrohnen ein Kriegsschiff im Wert von Hunderten Millionen Dollar zerstören.
Nur ein Waffensystem von vielen
Das Beispiel nannte Tschernev wohl nicht von ungefähr: Die türkische Angriffs- und Aufklärungsdrohne Bayraktar soll an dem ukrainischen Angriff auf das russische Flagschiff Moskwa im April vergangenen Jahres beteiligt gewesen sein.
Echte Gamechanger sind die unbemannten Flugkörper aber nicht, warnt der Militärexperte Melnyk. Zwar liegt die Ukraine bei Einsatz und Produktion vor Russland. Doch auch Drohnen sind nur ein Waffensystem von vielen. Sie ermöglichen spektakuläre Angriffe, aber sie entscheiden keinen Krieg.