Guterres in der Ukraine Eine Fluchtroute aus der "Apokalypse"?
UN-Generalsekretär Guterres und der ukrainische Präsident Selenskyj wollen die Evakuierung der Menschen im Stahlwerk von Mariupol ermöglichen. Während des Besuchs wurde Kiew mit Raketen beschossen.
UN-Generalsekretär António Guterres und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj haben die Bildung eines Flüchtlingskorridors für die nach wochenlangen Kämpfen schwer zerstörte Hafenstadt Mariupol besprochen. "Mariupol ist eine Krise innerhalb einer Krise, Tausende Zivilisten brauchen lebensrettende Hilfe", sagte Guterres auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen in Kiew. Sie bräuchten eine Fluchtroute, um der "Apokalypse" zu entkommen.
Im Stahlwerk Asowstal haben sich ukrainische Truppen verschanzt, auch Zivilisten sind in dem riesigen Gelände in der Hafenstadt. "Ich vertraue und glaube - ebenso wie viele Angehörige der Menschen, die in Asowstal gefangen sind - dass der Generalsekretär und wir eine erfolgreiche Lösung ermöglichen können", sagt Selenskyj.
Putin soll Lösung zugesagt haben
Der UN-Chef berichtete Selenskyj, dass er bei seinem Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin eine prinzipielle Zusage dafür bekommen habe, dass die Vereinten Nationen beim Aufbau eines solchen Fluchtkorridors zusammen mit dem Roten Kreuz beteiligt würden. Nun gebe es intensive Beratungen dazu, wie der Vorschlag in die Realität umgesetzt werden könne.
Selenskyj zeigte sich nach dem Gespräch mit Guterres optimistisch. Nun glaube er daran, dass die Belagerung des Stahlwerks Azowstal beendet und in Mariupol ein "erfolgreiches Ergebnis" erzielt werden könne, sagte er laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian.
Das Zentrum der ukrainischen Hauptstadt wurde offenbar von zwei Raketen getroffen.
Kiew während des Treffens beschossen
Während des Besuchs von Guterres wurde die ukrainische Hauptstadt erstmals seit rund zwei Wochen wieder mit Raketen beschossen. Bürgermeister Vitali Klitschko schrieb auf Telegram von zwei russischen Angriffen im Stadtzentrum. Selenskyj sagte später, nach dem Abschluss der Gespräche mit Guterres seien insgesamt fünf Raketen auf die Stadt abgeschossen worden.
Nach Angaben des ukrainischen Katastrophenschutzes wurde ein Wohnhaus getroffen. Ersten Angaben der Rettungsdienste zufolge wurden mehrere Menschen verletzt oder getötet.
"Hasserfüllter Akt der Barbarei"
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter von einem "hasserfüllten Akt der Barbarei". Russland habe "ein weiteres Mal seine Haltung gegenüber der Ukraine, Europa und der Welt gezeigt". Der ukrainische Präsidentenberater Michail Podoljak sagte, vor Kurzem noch habe Guterres im Kreml gesessen und "heute gibt es nur einen Kilometer von ihm entfernt Explosionen. Ist das ein Gruß aus Moskau?"
Der UN-Generalsekretär hatte am Dienstag Putin in Moskau getroffen. Anschließend reiste er weiter in die Ukraine, wo er zunächst mehrere Vororte von Kiew besuchte, wo russische Soldaten nach ukrainischen Angaben Kriegsverbrechen begangen haben.
Auch im Kiewer Vorort Borodianka machte sich Guterres ein Bild von den Zerstörungen.
Besuch in Butscha
In Butscha hob Guterres die Bedeutung der Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofs zu den dortigen Kriegsgräueln hervor. Es sei wichtig, den Horror "sorgfältig aufzuklären" und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Er appellierte an Russland, mit dem Gericht zusammenzuarbeiten. Die Bilder getöteter ukrainischer Zivilisten aus Butscha hatten Anfang des Monats rund um die Welt für Entsetzen gesorgt.
Vor den Reportern beklagte der UN-Chef das Unvermögen des UN-Sicherheitsrates, den Ukraine-Krieg zu beenden. "Der Sicherheitsrat hat es versäumt, das in seiner Macht Stehende zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und zu beenden", sagte Guterres. Für ihn sei dies "Quelle großer Enttäuschung, Frustration und Wut".