Orban in der Ukraine Ein schwieriger Gast für Selenskyj
Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist Ungarns Ministerpräsident Orban in die Ukraine gereist. Es ist kein einfacher Besuch für Präsident Selenskyj. In Kiew rief Orban die Ukraine zu einer Waffenruhe auf.
Das letzte Mal, als Viktor Orban in der Ukraine war, regierte in Kiew noch Petro Poroschenko. Gut zehn Jahre ist der letzte Besuch her. Der Neuauflage ging viel diplomatische Arbeit voraus. Doch trotz aller Freundlichkeit vor den Kameras - Ungarns Ministerpräsident ist ein schwieriger Gast. Das zeigen selbst die knappen Pressestatements am Mittag vor Journalisten in Kiew.
Der Besuch sei ein klares Zeichen für gemeinsame Prioritäten, sagte Selenskyj. Orban rief seinen ukrainischen Kollegen wiederum zu einer raschen Waffenruhe auf:
Ich habe den Präsidenten gebeten, über eine andere Reihenfolge nachzudenken, ob wir die Friedensgespräche beschleunigen können, indem wir zuerst einen Waffenstillstand schließen. Ein Waffenstillstand, der mit einer Frist verbunden ist, würde eine Chance bieten, die Friedensgespräche zu beschleunigen. Ich habe diese Möglichkeit mit dem Präsidenten erörtert und bin ihm für seine ehrlichen Antworten und Verhandlungen dankbar.
Selenskyj: Pläne für zweiten Friedensgipfel
Was der ukrainische Präsident auf Orbans Vorschlag genau geantwortet hat, ist öffentlich nicht bekannt. Zum aktuellen Zeitpunkt aber lehnt die Ukraine direkte Verhandlungen mit Russland ab. Zu groß ist das Misstrauen - auch gespeist durch unzählige verhandelte und wieder gebrochene Feuerpausen im Donbass-Krieg ab 2014.
Die Ukraine ringt derweil weiter um internationale Unterstützung für ihre Vorstellung von einem gerechten und langfristigen Frieden. Ungarn könne dabei eine effektive Rolle spielen, betonte Selenskyj. "Wir haben heute ausführlich darüber gesprochen, wie Ungarn seine Führungsrolle bei der Vorbereitung eines zweiten Friedensgipfels unter Beweis stellen kann", sagte er. "Wir sehen die Möglichkeit, noch in diesem Jahr einen zweiten Gipfel zu veranstalten. Alle Vorbereitungen dafür können wir in den kommenden Monaten treffen. Wir wären für die Unterstützung Ungarns dankbar."
Online-Portal bezeichnet Orban als "trojanisches Pferd des Kremls"
Trotz betonter Dankbarkeit: Kiew und Budapest sind sich in vielem uneinig. Ein weiterer Streitpunkt ist die ungarische Minderheit in der westukrainischen Karpaten-Region. Sie werde unterdrückt, behauptet Orban und wollte auch darüber mit Selenskyj reden. Kiew weist du Vorwürfe zurück - sieht sich aber schon seit Januar gezwungen, über eine ganze Liste mit Forderungen aus Budapest zu verhandeln.
Olha Stefanischyna, ukrainische Ministerin für europäische Integration, bezeichnete die Regierung Orban jüngst als eine "Gruppe spezieller Menschen mit einem speziellen Verhandlungsansatz". "Ich möchte darauf hinweisen, dass es eine Erklärung der ungarischen Gemeinde gibt, in der sie die Ukraine unterstützt und jegliche Vorwürfe über Unterdrückung zurückgewiesen werden", betont sie. "Es wurde sich sogar direkt an Ministerpräsident Orban gewandt, mit der Bitte, damit aufzuhören. Die Ukraine leidet auch so schon sehr."
Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sehen Orban kritisch. Das Online-Portal NV bezeichnete den ungarischen Ministerpräsidenten jüngst als "trojanisches Pferd des Kremls". In der Vergangenheit hatte er militärische und finanzielle Hilfen an die Ukraine immer wieder kritisiert und verzögert.