US-Militärhilfe für die Ukraine Besuch beim treuesten Freund
Eine Blockade der US-Militärhilfen brächte nicht nur die Ukraine in eine dramatische Lage. Sondern auch Europa, das die Situation nicht auffangen könnte, fürchten Experten. Mit möglicherweise verheerenden Folgen.
Im Krankenhaus in Dnipro sind die Soldaten erleichtert, es überhaupt bis hierhin geschafft zu haben. Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Frontabschnitten zusammen, bevor sie auf andere Krankenhäuser im ganzen Land verlegt werden.
Die ukrainischen Streitkräfte seien bereits jetzt in einer dramatischen Lage, erzählen die Soldaten. Aber nicht nur, weil ihnen die Witterung, die russische Artillerie und die Erschöpfung zusetzten, sondern weil nun auch noch die Militärhilfe des wichtigsten Verbündeten der Ukraine, den USA, auf der Kippe steht.
Blockade der Republikaner
Seit Wochen schon blockieren die Republikaner im Kongress weitere Mittel für die Ukraine. Mehr als 44 Milliarden Dollar Militärhilfe haben die USA in den letzten zwei Jahren seit Beginn der russischen Aggression für die Ukraine bereitgestellt.
In wenigen Tagen wird dieses Geld aufgebraucht sein, sagt das Weiße Haus. US-Präsident Joe Bidens Antrag auf eine neue Tranche von 60 Milliarden US-Dollar wird von den Republikanern blockiert. Stocken die Gespräche weiter, wird das Thema aufs nächste Jahr vertagt werden müssen.
Ein Akt der Verzweiflung?
Doch der ukrainische Präsident kann sich keinen Aufschub der Militärhilfen für sein Land leisten. Sollten die Gelder nicht bewilligt werden, könnte das auch die ukrainische Wirtschaft in den Abgrund stürzen, denn in dem Paket sind auch direkte Haushaltshilfen für Kiew von knapp elf Milliarden Euro enthalten.
Doch Wolodymyr Selenskyj weht bei diesem Besuch ein eher rauer Wind entgegen. Ganz anders als noch vor einem Jahr, als er im Kongress mit Standing Ovations geehrt wurde, bleibt ihm nun ein Auftritt im Repräsentantenhaus verwehrt.
Selenskyj kommt als Bittsteller nach Washington. Während er mit Vertretern des Senats zusammentrifft, um diese auf seine Seite zu ziehen, plant die rechte Washingtoner Denkfabrik Heritage Foundation laut Informationen des britischen "Guardian" eine Veranstaltung mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, um über die endgültige Einstellung der Ukraine-Hilfen zu diskutieren.
Je länger die Hängepartie, desto folgenschwerer
Allein die Unklarheit sei verheerend für die Truppen, so der ukrainische Militärexperte Oleh Katkov. Schon jetzt würde in manchen Teilabschnitten der Front Munition rationiert.
Die Ukraine werde so auf fahrlässige Weise militärisch geschwächt. "Ohne weitere Hilfen aus den USA wird die Ukraine nur noch in der Lage sein, Verteidigungskämpfe zu führen mit extrem hohen Verlusten, dann werden Ukrainer dafür mit dem Leben zahlen", erklärt Katkov, Chefredakteur der Militärzeitschrift "Defense Express".
Ein Teil des Militärgeräts müsse repariert werden. Und je weniger Material vorhanden sei, desto mehr müsse im Nahkampf abgewehrt werden. Das koste Menschenleben.
Es müsste eigentlich mehr Material kommen, mehr Technik, um die numerische Überzahl der Russen zu kompensieren, vor allem jetzt, da Russland seine Militärproduktion hochfahre. Dabei warnt Katkov davor, Russland und seine weiteren Expansionspläne zu unterschätzen.
Eigentlich müsste Europa einspringen
Ein Großteil der Artillerie, Munition oder Abwehrraketen stammten bisher aus den USA, erklärt Militärexperte Gustav Gressel. Nicht nur die Munition für Geschütze sondern auch die für Raketenwerfer, und die Fliegerabwehrraketen, die die ukrainischen Städte sicherten.
Europa könne das nicht abfangen. "Es ist existenzgefährdend", mahnt der Experte des European Council on Foreign Relations, Gressel.
Nachdem die Europäer leider zwei Jahre diesem Krieg zugeschaut haben, ohne ihre eigenen industriellen Kapazitäten ausreichend hochzufahren, haben wir jetzt nicht die Reserven um einzuspringen und mögliche Ausfälle von Militärlieferungen zu kompensieren.
Stimme der US-Kongress nicht schnellstmöglich zu, werde das angegriffene Land auf dem Schlachtfeld "in die Knie gezwungen", warnte unlängst auch die Direktorin des nationalen Haushaltsamtes, Shalanda Young, beide Kongresskammern in Washington in einem Brief.
Furcht vor Ende der US- Militärhilfen
Wie weit werden sie am Ende ohne die Hilfe der Amerikaner auskommen? Eine bange Frage, die auch die verletzten Soldaten auf den Krankenhausgängen in Dnipro umreibt.
Trotz der Furcht vor dem was kommen wird, wollen viele von ihnen zurück an die Front, wenn sie sich erholt haben.
"Wir sind bereit, weiter zu kämpfen. Auch wenn die Situation wirklich schwierig ist und wir sehr erschöpft sind und das Wetter uns alles abverlangt", sagt etwa ein 28-jähriger Ukrainer, der von Kriegsbeginn an mitkämpft und auch in Bachmut und Andriivka dabei war.