Parlamentswahl in Frankreich Premierministerin Borne bietet Rücktritt an
Nach Gesprächen über eine mögliche Regierungsbeteiligung haben die konservativen Republikaner dem französischen Präsidenten Macron eine klare Absage erteilt. Premierministerin Borne bot derweil ihren Rücktritt an - den Macron ablehnt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach seinem Debakel bei der Parlamentswahl ein Rücktrittsgesuch von Premierministerin Élisabeth Borne abgelehnt. Er wolle, dass sie im Amt und die Regierung damit handlungsfähig bleibe, hieß es aus dem Élysée-Palast. Ein Rücktrittsgesuch der amtierenden Regierung ist nach der Parlamentswahl in Frankreich üblich und eher ein formeller Akt.
Auf der Suche nach Lösungen
Unterdessen hat Macron am Morgen damit begonnen, nacheinander Gespräche mit den Führern der im Parlament vertretenen Parteien zu führen, um Möglichkeiten für eine konstruktive Zusammenarbeit oder Koalition auszuloten.
Auf dem Programm stehen jeweils einstündige Treffen mit Christian Jacob (Parteichef der konservativen Republikaner), mit Olivier Faure (Generalsekretär der Sozialisten), mit Stanislas Guérini (von Macrons eigener Partei Renaissance), mit Marine Le Pen (der langjährigen Parteichefin und künftigen Fraktionsvorsitzenden des rechtspopulistischen Rassemblement National) und mit Fabien Roussel (Parteichef der Kommunisten).
Abfuhr von Konservativen
Von den Republikanern gab es die erste Absage. Seine Partei werde "weder einen Pakt noch eine Koalition" eingehen, sagte Parteichef Jacob. "Ich bin doch kein Deutscher, wir haben ein anderes politisches System", hatte Jacob schon zuvor dem Sender France Inter gesagt. In Frankreich sind Koalitionen bislang unüblich. Die Parteiführung der Konservativen von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hatte schnell klar gemacht, dass sie in der Opposition bleiben wolle. "Wir sind nicht das Reserverad", betonte Jacob.
Die eigentlich für heute geplante Kabinettssitzung wurde abgesagt. Regierungschefin Borne habe am Nachmittag ein Treffen mit den Ministerinnen und Ministern einberufen, berichtete die Zeitung "Le Parisien".
Eine Ausnahmesituation
Die Lage in Frankreich ist nun eine besondere. Denn bei der Wahl am Sonntag hatte das Mitte-Lager des Präsidenten keine absolute, sondern nur noch eine einfache Mehrheit erhalten, eine in Frankreich seit über 30 Jahren nicht mehr da gewesene Situation.
Macrons Bündnis Ensemble erhielt bei der zweiten Runde der Wahl 245 Sitze. Zur absoluten Mehrheit wären 289 Sitze erforderlich gewesen, bisher hatte Macrons Lager 350. Das Links-Bündnis Nupes um Jean-Luc Melenchon kommt dem offiziellen Endergebnis zufolge auf 131 Sitze, die extreme Rechte um Marine Le Pen auf 89, die Konservativen stellen 61 Abgeordnete.
Die für Deutschland übliche Konstellation mit Koalitionsregierungen hat es in Frankreich seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Das Ergebnis könnte ein politisches Patt bis hin zu Neuwahlen nach sich ziehen.
Konservative lehnen ab
Macron steht nun also die schwierige Suche nach Partnern im Parlament bevor. Bisher ist kein Weg zu einer tragfähigen Mehrheit zu erkennen. Die einzige traditionelle Partei, die Macrons Bündnis Ensemble nach dem Verlust der absoluten Mehrheit stützen könnte, wären die Konservativen Les Republicains. Deren Chef Jacob erklärte jedoch gestern, "fast einheitlich" werde in den Reihen der Partei eine Koalition oder eine Kooperationsvereinbarung abgelehnt.
Widerstand gegen Reformen?
Aber es ist nicht nur die Suche nach Partnern, es geht auch um die Reformen. Für Macrons Wahlbündnis wird die Umsetzung seiner Reformvorhaben nun komplizierter. Die Regierung warnte bereits vor einer Blockade des Landes.
Die Rechtspopulistin Le Pen, die künftig wohl die größte Oppositionsfraktion anführt, forderte mehrere Schlüsselpositionen im Parlament für ihren Rassemblement National. Sie kündigte ebenso wie das links-grüne Wahlbündnis Nupes Widerstand gegen Macrons Reformvorhaben an.
Positionen gehen auseinander
Eine erste Bewährungsprobe dürfte in gut einer Woche ein Gesetzentwurf der Regierung zur Abfederung der höheren Lebenshaltungskosten werden, wenn das neuen Parlament zum ersten Mal zusammentritt. Der Kampf gegen die Inflation steht für viele Wähler inzwischen im Vordergrund.
Die Positionen der großen Parteien gehen allerdings in vielen wichtigen Fragen auseinander. So will Macron unter anderem das Rentenalter anheben sowie eine wirtschaftsfreundliche Agenda und die Integration der EU vorantreiben. Melenchon hat indes damit geworben, das Rentenalter von 62 auf 60 Jahre zu senken, die Preise einzufrieren und Unternehmen die Entlassung von Arbeitnehmern zu verbieten, wenn sie Dividenden zahlen.