Wahl in Israel Hohe Beteiligung - trotz Wahlmüdigkeit
Netanyahus Likud kämpft um jede Stimme - und wollte am Wahllokal sogar Gratis-Eis verteilen lassen. Eine hohe Wahlbeteiligung würde Israels Premier nutzen. Die Regierungsbildung wird aber auf alle Fälle schwierig.
Der Amtsinhaber kam in den Landesfarben: weißes Hemd, blaue Krawatte. So trat Benjamin Netanyahu an die Wahlurne, wartete, bis Ehefrau Sara auch bereit war und dann die gemeinsame Stimmabgabe vor den Kameras. Davon, dass das Ehepaar Netanyahu für die nationalkonservative Likud-Partei stimmte, darf sicher ausgegangen werden. Denn Likud-Spitzenkandidat Netanyahu machte - nachdem er gewählt hatte - deutlich: Es gehe um jede Stimme:
US-Präsident Donald Trump sagte gestern, dass die Wahlen eng sind. Ich kann heute früh nur bestätigen, dass die Wahlen sehr eng sind und ich rufe jeden Bürger Israels auf, wählen zu gehen.
Hohe Wahlbeteiligung für Netanyahu ein Vorteil
Die Wahlbeteiligung dürfte wichtig werden bei dieser zweiten israelischen Parlamentswahl binnen sechs Monaten. Im April hatte 69 Prozent der wahlberechtigten Israelis ihre Stimme abgegeben. Nun sind viele wahlmüde. Eine niedrige Beteiligung dürfte eher Netanyahus Gegnern nutzen.
Am Vormittag zeichnete sich nach Angaben der zentralen Wahlkommission allerdings die höchste Wahlbeteiligung seit 1984 ab. Der 69-Jährige Netanyahu kann nicht sicher sein, dass seine Likud-Partei stärkste Kraft wird. Nach Umfragen kommt es erneut zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Langzeitpremier und seinem Herausforderer, Ex-Armeechef Benny Gantz, und dessen Bündnis Blau-Weiß.
Im Wahlkampf ging es um "für oder gegen Bibi"
Auch im Mittelpunkt dieser Wahl steht wieder die Frage, ob der unter Korruptionsverdacht stehende Netanyahu - Spitzname Bibi - weiter regieren soll oder nicht. Manche Israelis hätten sich mehr Inhalte im Wahlkampf gewünscht, wie etwa diese Frau:
Mir sind Bildung und Gesundheitswesen wichtig, aber ich weiß gar nicht, was die Parteien dazu vorschlagen? Es ging entweder um für oder gegen Bibi oder um für oder gegen die Streng-Religiösen. Darum ging es - wir sind sehr gespalten.
Rechtsnationale können mit Stimmenzuwachs rechnen
Die Frage, welchen Einfluss streng-religiöse jüdische Parteien künftig haben sollen, nahm in diesem Wahlkampf ungewöhnlich viel Raum ein. Viele säkulare Israelis wünschen sich eine Regierung ohne Beteiligung der zwei streng-religiösen Parteien. Das fordert auch Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman von der rechtsnationalen Partei "Unser Haus Israel".
"Wer eine Einheitsregierung ohne Streng-Religiöse und ohne Radikale will, sollte gut überlegen, was er wählt", sagte Lieberman nach der Stimmabgabe an seinem Wohnort, einer israelischen Siedlung im besetzten Westjordanland. Umfragen zufolge kann Lieberman auf eine Verdoppelung der Stimmen im Vergleich zur Wahl im April hoffen. Die Regierungsbildung wird wahrscheinlich erneut äußerst schwierig.
Netanyahu darf kein Gratis-Eis verteilen lassen
Treffen die Umfragen zu, wird Netanyahus Block aus rechten und religiösen Parteien auf keine eigene Mehrheit der 120 Sitze in Israels Parlament, der Knesset kommen. Netanyahu hatte zuletzt viel versucht, um auf den letzten Metern des Wahlkampfes Stimmen hinzu zu gewinnen. Unter anderem stellte er die Annexion von Teilen des Westjordanlandes in Aussicht. Kurz vor der Wahl erklärte Netanyahu dann, es bestehe die Gefahr von Wahlfälschung. Der Leiter des zentralen Wahlkomitees, Chanan Melcer, versprach einen korrekten Ablauf:
Wir kontrollieren diesmal mehr als bisher. Wir haben Kontrolleure draußen, ungefähr 3000 sind mit Kameras ausgestattet, von denen sie Gebrauch machen können. Sie werden in den Wahllokalen, in die wir sie schicken, die gesamte Auszählung filmen.
Das Wahlkomitee schaut auch genau darauf, was die Parteien machen. Netanyahus Likud-Partei wurde zum Beispiel untersagt, vor einem Wahllokal kostenlos Eis zu verteilen.