Tote bei Kämpfen im Westjordanland Israels Einsatz entfacht Verbitterung und Wut
Seit einer Woche geht Israels Militär im Norden des Westjordanlandes nach eigenen Angaben gegen Terroristen vor. Etwa 30 Menschen wurden dabei bereits getötet - und die Wut der Palästinenser wächst.
Dschenin im nördlichen Westjordanland. Schwere gepanzerte israelische Militärfahrzeuge patrouillieren durch die palästinensische Stadt. Die Straßen wurden aufgerissen und zerstört. Straßen- und Gebäudeteile liegen herum. Inmitten dieser Trümmerlandschaft versucht Imad Naim Abu Al-Hayat dorthin zu gelangen, wo einmal sein Geschäft stand. Der alte Mann klingt verbittert und dennoch kämpferisch.
"Hier, hinter mir ist mein Laden", sagt er. Seit 1954 habe er den Friseursalon. Er habe ihn eröffnet und davon gelebt. Heute hätten sie ihn zerstört. "Ihr Ziel ist, das Land zu zerstören, damit die Menschen müde werden, Widerstand zu leisten. Aber wir werden nicht müde werden."
So wie der alte verbitterte Friseur denken viele in Dschenin und anderen Orten des Westjordanlandes, die auf die Trümmer ihrer Existenzen blicken. Vor genau einer Woche startete das israelische Militär seinen Kampfeinsatz in Dschenin, Tulkarem und anderen Orten im Norden des Westjordanlandes.
"Es wird keinen sicheren Ort geben"
Seit dem Ende der zweiten Intifada ist Israel nicht mehr mit solcher Gewalt in das Palästinensergebiet eingedrungen wie in diesen Tagen. Die offizielle Begründung: Terrorismusbekämpfung.
Am 7. Oktober sei Israel von der Hamas-Invasion überrascht worden, sagte Regierungssprecher David Mencer zu Beginn des Einsatzes. Israel gehe entschlossen vor, um sicherzustellen, dass sich solch ein mörderischer und grausamer Angriff nie mehr wiederhole.
"Unsere Politik ist klar: Es wird keinen sicheren Ort geben. Keine Zufluchtsorte und keine Orte, an denen sich Terroristen sicher fühlen können und wo sie das Gefühl haben, die Kontrolle zu haben", erklärte Mencer. "Daher findet eine gezielte Operation statt."
Allein 20 Tote in Dschenin
Ein Kampfeinsatz im Westjordanland, der viele Opfer fordert. Allein in Dschenin sind innerhalb einer Woche 20 Menschen getötet worden, darunter nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah gestern bei einer Militär-Razzia auch ein 16-jähriges Mädchen. Insgesamt gibt es etwa 30 Tote. Bei einer Schießerei am Sonntag wurden außerdem drei israelische Polizisten getötet.
Der israelische Kampfeinsatz führt bei vielen Palästinensern zu großer Wut. Auch bei Ali Nabhan aus Dschenin. "Die israelische Armee hat keine Ziele, also nehmen sie uns ins Visier, aber wir werden standhaft bleiben, egal, was sie tun", sagt Nabhan. "Gaza wird seit einem Jahr bombardiert und ist auch jetzt noch standhaft, und auch wir werden standhaft bleiben, so Gott will. Egal, was sie tun. Gott sei Dank sind wir standhaft."
Medienberichten zufolge hat das israelische Militär das Westjordanland inzwischen nach dem Gazastreifen als zweite heiße Kampfzone deklariert. Die Armee hat sich dazu selbst nicht geäußert.