Ultimatum im EU-Flüchtlingsstreit Italien droht mit Beitragskürzungen
Der Druck auf die europäischen Außengrenzen wächst. Allein in diesem Jahr erreichten bereits rund 38.000 Flüchtlinge die italienische Küste. Das Land fühlt sich allein gelassen. Es will eine europäische Flüchtlingspolitik - und eine kräftige Geldspritze.
Am frühen Morgen ist in Sizilien das Schiff mit den Kindern angekommen: 133 Minderjährige waren an Bord eines Flüchtlingsbootes, das am Mittwoch von der italienischen Marine irgendwo im Mittelmeer aufgegriffen wurde. In letzter Minute, wie es heißt - denn das Wetter hatte sich massiv verschlechtert und der völlig überfüllte Kahn drohte zu sinken.
Insgesamt haben fast 1000 Flüchtlinge in nur 24 Stunden die italienischen Küsten erreicht. Europa ist keine Festung mehr. Und Italien bekommt die Folgen zu spüren, sagt Europaminister Sandro Gozi: "Viele Asylbewerber, reguläre und nicht reguläre Immigranten kommen an italienischen Küsten an. Tausende Menschen, die nicht in Italien bleiben wollen. Und Italien wird mit diesem Phänomen allein gelassen."
Neue italienische Flüchtlingspolitik
Nach dem Unglück vom vergangenen Oktober, als vor Lampedusa mehr als 300 Menschen ertranken, hat Italien seine Flüchtlingspolitik komplett geändert. Die italienische Marine patrouilliert seitdem im Mittelmeer und hält gezielt nach Flüchtlingsbooten Ausschau.
Admiral Giuseppe de Giorgi, Befehlshaber der Marine erklärt: "Ich muss im Mittelmeer Rahmenbedingungen schaffen, damit dieser biblische Exodus problemlos abläuft. Es ist nicht unsere Aufgabe, Migranten zurück zu weisen. Das gehört nicht zur Mission."
Die Folge: noch mehr Flüchtlinge
Die neue Politik Italiens hat sich bis an die Küsten Libyens herumgesprochen. Immer mehr Menschen fassen den Mut, die lebensgefährliche Fahrt übers Mittelmeer anzutreten. 38.000 allein in diesem Jahr.
Die Aufnahmezentren in Italien, vor allem auf Sizilien sind komplett überfüllt. Italien fordert eine gerechtere Lastenverteilung innerhalb der EU. Europaminister Gozi will die Flüchtlingspolitik unmittelbar nach den Wahlen ganz nach oben auf die europäische Agenda setzen. "Wenn wir die Freiheit der europäischen Bürger, sich im Schengen-Raum frei zu bewegen, wahren wollen, müssen wir die Außengrenzen als gemeinsame Grenzen ansehen", verlangt er.
Italien droht mit einer saftigen Rechnung
Die Forderungen Italiens nehmen immer mehr einen ultimativen Charakter an. Dass in Deutschland im vergangenen Jahr die meisten Asylanträge in der EU gestellt wurden, nämlich 126.000, fällt dabei oft unter den Tisch.
Die EU hatte angeboten, die Grenzagentur Frontex an dem Rettungseinsätzen zu beteiligen. Italien lehnte ab. Stattdessen fordert Innenminister Angelino Alfano Finanzhilfen für den Einsatz der eigenen Marine im Mittelmeer.
"Europa muss seine Pflicht erfüllen und uns bei der Kontrolle dieser Grenze helfen", verlangt Alfano. "Wenn nicht, dann ziehen wir die Kosten von unseren Beiträgen an die EU ab." Das wäre eine saftige Rechnung: 300.000 Euro pro Tag, neun Millionen pro Monat, 100 Millionen pro Jahr.
Steilvorlagen für den EU-Wahlkampf
Es ist Wahlkampf. Das Thema "Immigration" beschäftigt die Italiener und liefert Politikern Steilvorlagen für vermeintlich populäre Lösungsansätze.
Der Meister darin: Silvio Berlusconi. Der sagt nämlich: "Unsere Schiffe sollten die Flüchtlinge nicht aufnehmen, sondern abweisen."